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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Abteilung für Verwaltungsangelegenheiten.
    Zonenhandbuch Sizilien.
    Geheim.
    Die hierin enthaltene Information wird als korrekt eingestuft, 1 . Mai 1943 .
     
    Laut Aussage des Polizeipräsidenten von Palermo gliche die Conca d’Oro einem riesigen Friedhof, wenn an jeder Stelle, an der ein Opfer begraben liegt, ein Kreuz stünde.
     
    Die Mafia war nie eine kompakte kriminelle Vereinigung, sondern ein komplexes gesellschaftliches Phänomen, die Folge jahrhundertelanger Misswirtschaft. Der
mafiuso
wird von einer Gesinnung geleitet, die der Arroganz nahekommt und die ihm ein besonderes Verhalten auferlegt. Ein
mafiuso
ist somit kein Dieb oder Schurke im herkömmlichen Sinne. Er will respektiert werden und respektiert fast immer die anderen. Die Mafia ist das Wissen um die eigene Individualität, der dünkelhafte Stolz auf die eigene Stärke.
    Alle italienischen Regierungen waren ängstlich darauf bedacht, diese Geißel des sizilianischen Lebens in Schach zu halten. Das faschistische Regime mühte sich nach Kräften, die Mafia zu zerschlagen, und das rücksichtslose Vorgehen Cesare Moris, des Präfekten von Palermo, zog viele Verhaftungen nach sich. Doch lässt sich die Gesinnung eines Volkes schwer durch Polizeimaßnahmen ändern, und so existiert die Mafia auf Sizilien vermutlich noch immer.«
    Nicola (Nick) Gentile wurde 1885 in Siculiana geboren, in der Provinz Agrigent, Siziliens berüchtigtem Schwefelland. Im Jahr 1906 wurde er in Philadelphia, USA , in die Ehrenwerte Gesellschaft aufgenommen. Als Erpresser, Mörder, Schwarzbrenner und Drogendealer verbrachte er die folgenden drei Jahrzehnte seines Lebens damit, auf dem Atlantik hin und her zu fahren, wie es ihm die Erfordernisse seiner kriminellen Machenschaften auferlegten sowie die Notwendigkeit, den Feinden bei Polizei und Mafia aus dem Weg zu gehen. Nachdem er wegen eines Drogendelikts in New Orleans verhaftet worden war, ließ Gentile 1937 die Kaution sausen und flüchtete nach Sizilien.
    Gentile kehrte ausgerechnet im folgenschweren Monat Juli des Jahres 1943 zurück nach Raffadali, dem Heimatort seiner Frau in der Provinz Agrigent. Als die amerikanischen Truppen durchzogen, bot er ihrem Kommandanten lächelnd seine Dienste als Dolmetscher und Fremdenführer an. Bald hatte er gemeinsam mit dem Offizier in vielen der umliegenden Ortschaften »eine Verwaltung oder Regierung«, wie er es nannte, errichtet.
    So lernten die Alliierten im Schnellverfahren, wie man die Autorität des Staates unterwandert, eine Kunst, welche die Mafia in den vorangegangenen hundert Jahren zur Perfektion gebracht hatte. Nick Gentiles Geschichte ist typisch: In ganz Westsizilien verbündeten sich die Mafiosi mit den Kampftruppen und den völlig verdutzten Militärverwaltern, die ihnen folgten. Da die Anzahl der Gefängnisausbrüche und bewaffneten Überfälle explosionsartig anstieg, suchte die AMGOT Autoritätspersonen, die sich nicht mit Mussolini eingelassen hatten und ihr helfen sollten, der Anarchie Herr zu werden. Als »Mittelschicht-Schurken« verstanden die Ehrenmänner sich ausgezeichnet darauf, die respektable Fassade zu kreieren, nach der die AMGOT suchte. Nick Gentile gerierte sich gar als ein Opfer faschistischer Unterdrückung, weil er während der Anti-Mafiakampagne des Eisernen Präfekten mehrere Jahre in Untersuchungshaft zugebracht hatte. Von seinen »Brüdern« wussten viele ähnlich jammervolle Geschichten zu erzählen. Als nun die AMGOT -Verwaltung daranging, die faschistischen Bürgermeister auszutauschen, war häufig schon ein geeigneter Kandidat bei der Hand. Generalmajor Lord James Rennell Rodd, der britische Leiter der AMGOT , gab später zu:
    »Als das Volk wütend danach schrie, ihren faschistischen
Podestà
(Bürgermeister) loszuwerden, tappten viele meiner Offiziere in die Falle und entschieden sich für den gewieftesten Selbstdarsteller (…) Und so fiel die Wahl mehr als einmal auf den örtlichen ›Mafia‹-Boss oder dessen Schatten, der sich in ein oder zwei Fällen in einer amerikanischen Gangsterumgebung bewährt hatte.«
    Lord Rennell musste in einer unsicheren, unbeständigen Lage eine Unmenge von Problemen bewältigen. Allerdings knauserte er auch mit der Wahrheit. Die heimtückischsten Anbiederungsversuche an die AMGOT unternahmen die Mitglieder der begüterten Oberschicht. Lord Rennell, zweiter Baron Rennell, hätte kaum aristokratischer sein können: Er war ein in mehreren Sprachen bewanderter ehemaliger Diplomat und Bankier, erzogen in

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