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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Kommandant pflegte sich während der Wallfahrt sogar der feiernden Menge anzuschließen und mit den Mitgliedern der Ehrenwerten Gesellschaft Tarantella zu tanzen. Das Bild, das Delfinos Sohn vor unserem geistigen Auge entstehen lässt, ist ein sehr lebhaftes: Die Kapelle inmitten der Kastanienbäume. Das hektische Geträller einer Quetschkommode. Ein Kreis aus schwärzlichen Gesichtern, einige von abscheulichen Schnittnarben durchzogen. Und mitten drin, im wilden Tanz die kühnen roten Streifen der schwarzen Uniformhose hochwerfend, der Carabiniere.
    »Se non è vero, è molto ben trovato«
: Wenn es nicht stimmt, ist es eine treffliche Erfindung – eine, die Historiker bewahren sollten. Was in offiziellen Quellen kaum jemals zutage tritt, ist akkurat diese Art des informellen Einvernehmens zwischen Ordnungshütern und Ganoven. Ein wohldurchdachter wechselseitiger Respekt. Eine improvisierte Übereinkunft, Macht und Revier zu teilen. In Polsi wie in so vielen anderen Gegenden Siziliens und Süditaliens kehrte der faschistische Staat, nachdem Razzien, Prügeleien, Prozesse und Propagandareden Geschichte waren, wieder zum traditionellen Tanz mit dem organisierten Verbrechen zurück.
    Befreiung
    Der Zweite Weltkrieg war die größte kollektive Tragödie, die das italienische Volk jemals erleiden musste. Zwischen 1935 und 1942 brachten italienische Armeen Tod und Vernichtung nach Äthiopien, Albanien, Frankreich, Griechenland und Russland. 1943 kehrten Tod und Vernichtung mit rachsüchtiger Wut auf die Halbinsel zurück.
    Das italienische Hoheitsgebiet wurde zum ersten Mal am 10 . Juli überfallen, als sieben Divisionen der Alliierten auf Sizilien landeten. In den frühen Morgenstunden des 25 . Juli beschloss der Große Faschistische Rat in Rom, 20  Jahre faschistischer Herrschaft zu beenden. Am darauffolgenden Abend wurde Benito Mussolini verhaftet. Als die Nachricht sich im Land verbreitete, zerschlugen die Italiener faschistische Symbole, zumal viele glaubten, der Krieg sei nun vorbei. Dabei hatte die Katastrophe gerade erst begonnen.
    Am 17 . August hatten die Achsenmächte ihre letzten Truppen aus Sizilien abgezogen. Am 3 . September überquerten die Alliierten die Meerenge von Messina nach Kalabrien, wo sie nur auf nominellen Widerstand stießen. Am 8 . September gab der Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte, General Dwight D. Eisenhower, Italiens Kapitulation bekannt. Schon am darauffolgenden Tag fand die Operation Avalanche statt – der Codename für die Landung der Alliierten im Golf von Salerno, südlich von Neapel. Die Deutschen – nunmehr keine Verbündeten mehr, sondern Invasoren – polterten durch die Halbinsel, um ihren Krieg fortzusetzen. Italiens König ergriff die Flucht. Nachdem sämtliche zivilen und militärischen Insignien seiner Regierungsgewalt verschwunden waren, blieb das italienische Volk sich selbst überlassen.
    Neapel wurde am 1 . Oktober befreit. Doch der Vormarsch der Alliierten kam schon bald darauf zum Stillstand. In den folgenden 20  Monaten wurde Italien zum Schlachtfeld, weil deutsche und alliierte Truppen sich einen zähen, blutigen Kampf lieferten. Hinter den Linien der Deutschen in Nord- und Mittelitalien kämpften widerspenstige Faschisten gegen die Partisanen des Widerstands. Es kam zu kollektiven Vergeltungsmaßnahmen und Greueltaten, zu Massendeportationen italienischer Arbeiter und Soldaten und zu einer Vernichtungskampagne gegen Italiens Juden.
    Kaum besser erging es den Menschen der besetzten Gebiete im Süden unter der Alliierten Militärregierung AMGOT (Allied Military Government in the Occupied Territories). Großbritanniens Kriegsministerium hatte sogenannte
Zone Handbooks
, Zonenhandbücher, ausgegeben, um die AMGOT über Gesellschaft und Gebräuche in Sizilien, Kalabrien und Kampanien zu informieren. Diese Handbücher sind in zweierlei Hinsicht interessant. Zunächst verraten sie uns, was die Welt über das seit nunmehr hundert Jahren existierende organisierte Verbrechen wusste. Zweitens lassen sie das Entsetzen der alliierten Besatzer erahnen angesichts der chaotischen Zustände nach der Befreiung und des raschen Zusammenbruchs des italienischen Staates. Blutfehden, Hunger, ansteckende Krankheiten, Korruption, Schwarzhandel und Banditenwesen: ideale Voraussetzungen für Italiens Gangster, um der Welt kundzutun, dass sie, Mussolinis Behauptungen zum Trotz, auf der Bühne der Geschichte noch immer eine Rolle spielten.
    »Kriegsministerium London:

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