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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Eton und am Balliol College in Oxford, und gehörte der Royal Geographic Society an. In jungen Jahren war er mit den Tuareg durch die Sahara gezogen und verstand sich als großer Italienfreund. Für einen Mann mit Lord Rennells Kinderstube war es völlig undenkbar, dass die zuvorkommenden Aristokraten, die ihn in ihre stattlichen Palazzi in Palermo zum Abendessen luden, enge Verbindungen zum organisierten Verbrechen pflegen könnten.
    Einer dieser Aristokraten war Lucio Tasca Bordonaro, Graf von Almerita, der einen unverkennbaren Mafiageruch ausdünstete. In den Jahren 1926 / 27 , als die Operation Mori Hunderte von Ganoven aushob, sorgte ein Bandenkrieg in der Conca d’Oro um ein Haar dafür, dass die faschistische Axt direkt auf die Wiege der Ehrenwerten Gesellschaft niederkrachte. Nicht weniger als drei Sonderkommissionen von Mafiosi waren aus den USA angereist, hatten es aber nicht geschafft, die kriegführenden Faktionen zu befrieden. Das Inspektorat fand heraus, dass Graf Tasca sich damals im Auftrag der Mafia an den Eisernen Präfekten gewandt und ihm sein Ehrenwort gegeben hatte, dass der Gewalt bald Einhalt geboten würde. Wozu wolle er sich also die Umstände machen und alle Beteiligten verhaften?
    Im Sommer 1943 ernannte Lord Rennell Graf Tasca zum Bürgermeister von Palermo, nicht ahnend, dass dieser als Mittelsmann der Mafia fungiert hatte.
    Als die Sizilianer sahen, wie vertraulich die Mafia mit den Alliierten umging, verloren sie schnell die Zuversicht, dass die AMGOT tatsächlich imstande wäre, wieder für Recht und Ordnung zu sorgen. Und ein Staat, der das Vertrauen seiner Bürger verloren hat, ist genau nach dem Geschmack der Mafia.
    Einige amerikanische Agenten vom Amt für strategische Dienste (Office of Strategic Services, kurz OSS , der Vorläufer der CIA ) hatten einen Plan zur Krisenbewältigung ausgeheckt, den sie offensichtlich für schlau und höchst originell hielten. Weniger als eine Woche, nachdem alliierte Truppen auch den letzten Winkel Siziliens besetzt hatten, berichtete der OSS -Mann in Palermo in dem enthusiastischen Ansinnen, seinem jungen und bis dato unbedeutenden Nachrichtendienst mehr Einfluss zu verschaffen, das Folgende:
    »Nur die Mafia ist imstande, den Schwarzhandel zu unterbinden und Einfluss zu nehmen auf die
contadini
(Bauern), die die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen (…) Wir haben uns mit den Anführern [von der Mafia] getroffen und uns darauf geeinigt, dass sie unseren Befehlen und Vorschlägen Folge leisten. Hier werden Vereinbarungen nicht so einfach gebrochen (…) Wir hatten ein offenes Ohr für ihre Nöte und versicherten ihnen, alles zu tun, was in unseren bescheidenen Kräften stand.«
    In anderen Worten, das OSS schlug den Alliierten vor, mit der Mafia gemeinsam gegen das Verbrechen vorzugehen. Während der AMGOT -Zeit auf Sizilien hatte das OSS , wie ehemalige Agenten später einräumten, auch weiterhin ein offenes Ohr für die Mafiabosse. Das wechselseitige Verständnis basierte offenbar auf einem Austausch von Gefälligkeiten: Das OSS erhielt Informationen und revanchierte sich mit kostbaren kleinen Vertrauensgaben – beispielsweise mit Reifen, die die Mafiosi für die Lastwagen brauchten, mit denen sie den Schwarzmarkt mit Waren belieferten. Kurzum, mit einer Naivität, zu der nur Leute imstande sind, die sich für besonders gerissen halten, war das OSS auf den ältesten Trick der Mafia hereingefallen. Wie eh und je füllten Diebstahl und Schmuggel nicht nur die Truhen der Mafia, sondern hatten, aus der Sicht der Bosse, zudem einen praktischen politischen Zweck: Eine Verbrechenswelle schwächte den Staat, der infolgedessen Beistand benötigte, um Sizilien zu regieren. Beistand von der Mafia.
    Bereits wenige Wochen nach der Landung der Alliierten auf Sizilien war vieles von dem wenigen, das der Faschismus gegen die Mafia erreicht hatte, zunichte gemacht. Die AMGOT -Verwaltung hatte wenig Zeit für den Zynismus des OSS . Kaum hatte Lord Rennell erkannt, mit welch erschreckender Geschwindigkeit die Mafia erneut Fuß gefasst hatte, versuchte er das Ruder noch einmal herumzureißen. Doch es war bereits zu spät. Selbst wenn ein Mafiabürgermeister entlassen wurde, hatten andere maßgebliche Bürger Angst, seinen Platz einzunehmen. Siziliens Ehrenmänner konnten sich somit in Ruhe überlegen, welchen Kurs sie in einer Nachkriegswelt einschlagen wollten, die ihnen mehr Macht und Wohlstand einräumen sollte, als sie je gekannt hatten.
    »Kriegsministerium

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