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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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In seinen Taschen fand man einen Revolver und einen Dolch. Im Juli desselben Jahres ließen Richter, aufgrund »mangelnder Beweise«, die Anklage gegen ihn fallen.
Mangelnde Beweise
: Seit den 1870 er Jahren war dies das stolze Motto unter so manchem sizilianischen Familienwappen gewesen. Jetzt besaß Don ’Ntoni Macrì genauso viel Macht und Einfluss. Und dieselben eigennützigen Familienwerte. Als bald darauf Don ’Ntonis Ehefrau verstarb, zwangen seine Männer eine große Anzahl von Einheimischen, ihrem Begräbnis beizuwohnen. Einem Richter zufolge wurde die Zeremonie zur »Gelegenheit, der Öffentlichkeit die Allmacht der Ehrenwerten Gesellschaft vor Augen zu führen«.
    Zumindest in diesem Landstrich Kalabriens hatte die bescheidene
Picciotteria
, jene Bande aus Raufbolden, Zuhältern und kleinen Erpressern, die in den 1880 er Jahren aus den Gefängnissen gekrochen waren, ihren Aufstieg geschafft.
    In den 1960 er Jahren hatte Don ’Ntoni ein Strafregister – 900  Seiten dick –, das sich las wie die Abrechnung für die Jahrzehnte seit den 1880 er Jahren, in denen das Gangstertum in Kalabrien ignoriert worden war. 1975 , nach einer Kegelrunde, wurde er umgebracht: der bedeutendste Mord in der Geschichte der ’Ndrangheta. Denn mittlerweile war Don ’Ntoni Macrì, von einigen Ehrenmännern als Boss der Bosse bezeichnet und wahrscheinlich auch Mitglied in Siziliens Cosa Nostra, der berüchtigtste ’Ndranghetista von allen. Doch das ist die Geschichte einer anderen Zeit.
    »Kriegsministerium London: Abteilung für zivile Angelegenheiten.
    Zonenhandbuch Kampanien.
    Geheim.
    Die hierin enthaltene Information wird als korrekt eingestuft, 1 . Juli 1943 .
     
    Kapitel  VI , ›Folklore und Feste‹
     
    Die eigentliche Camorra, früher einmal ein mächtiger Geheimbund, existiert nicht mehr, obwohl es in Neapel von Kriminellen geradezu wimmelt. Man muss sich vor Taschendieben in Acht nehmen: Wenn man nach Straßensängern Ausschau hält und sie ihre Lieder singen hört, ›o bambeniello nasciuto‹ oder ›L’amore non è più bagnato‹; wenn man in einer Menschentraube steht, oder wenn man es magenmäßig verträgt und bei einer
›bancarella de maruzzaro‹
Muscheln und Schnecken oder
›purpetielli veraci‹
isst.«
    Der Krieg brachte eine Vielzahl von Gräueln nach Italien, die einen unangenehm persönlich (Massenvergewaltigungen), die anderen erschreckend unpersönlich (Flächenbombardierungen). Im September 1943 war Neapel eine hungernde Stadt, von Luftangriffen heimgesucht, die etwa 200 000  Menschen obdachlos machten und den Großteil der Kanalisation zerstörten. Die Deutschen verfolgten jetzt eine Strategie der Deportationen und standrechtlichen Hinrichtungen. Die Neapolitaner rebellierten, und als sie am 1 . Oktober die ersten Panzer der Alliierten begrüßten, erschien ihnen die Freiheit zum Greifen nah.
    Doch die Kriegstraumata verschwanden nicht mit dem Abzug der deutschen Wehrmacht. Neapel war schon immer eine chaotische Stadt gewesen, stets am Rande des Zusammenbruchs. Unter der AMGOT stürzte sie kopfüber in Schmutz und Elend. Viele hatten damals das Gefühl, als hätte Neapels Bevölkerung jede menschliche Selbstachtung eingebüßt, um einen Bissen zu ergattern, einen Tropfen, einen Fetzen Kleidung. Die elenden Szenen hinterließen einen unauslöschlichen Eindruck bei dem großen Filmregisseur John Huston, der in Neapel Wochenschauen drehte. Er erinnerte sich später:
    »Neapel war wie eine Hure, die unter den Schlägen eines brutalen Kerls zu leiden hatte – ausgeschlagene Zähne, verschwollene Augen, gebrochene Nase, nach Dreck und Kotze stinkend. Es gab keine Seife, und sogar die nackten Beine der Mädchen waren schmutzig. Zigaretten waren die allgemein übliche Ersatzwährung, für ein Päckchen konnte man alles bekommen. Kleine Jungen boten gar ihre Schwestern und Mütter zum Verkauf. Nachts, während der Verdunkelungen, tauchten scharenweise Ratten vor den Häusern auf und standen einfach davor, glotzten einen aus roten Augen an, regten sich nicht. Man wich ihnen aus. Rauchschwaden wehten aus den Gassen mit den Etablissements, in denen ›Geschlechts‹-Akte zwischen Tieren und Kindern dargeboten wurden. Die Männer und Frauen in Neapel waren ein hoffnungsloses, hungerndes, verzweifeltes Volk, das absolut alles tat, um zu überleben. Man hatte den Seelen der Menschen Gewalt angetan. Neapel war eine unheilige Stadt.«
    Die Fakten aus den Archiven bestätigen Hustons Eindrücke.

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