Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
Vom Netzwerk:
einer Auktion in Rom ersteigert; er hatte Vittorio Mussolini gehört, dem ältesten Sohn des Duce. 1947 veröffentlichte eine Zeitung im Norden ein ironisches Porträt dieses Stadtteilmonarchen:
    »Er ist um die fünfzig, untersetzt, mit kantigem Gesicht und dickem, graumeliertem Haar. Eines seiner Augen ist träge, und seine Nase beginnt mit ausladendem Schwung, endet dann aber abrupt und spitz – als wäre sie gern eine bombastische Bourbonennase geworden, hätte es aber unterwegs bereut.«
    Navarra verdankte seinen Ruhm und seine Beliebtheit vor allem einer außergewöhnlichen Begebenheit zu Beginn des Jahres 1947 , als er den Schatz des Schutzheiligen der Stadt, des heiligen Gennaro (Januarius), gerettet hatte. San Gennaro ist der Märtyrer, dessen »Blut« in einem gläsernen Schrein in der Kathedrale von Neapel aufbewahrt wird, wo es sich auf wundersame Weise einige Male im Jahr verflüssigt. Oder auch nicht, falls die Bürger der Stadt aus welchem Grund auch immer das Missfallen des Allmächtigen erregt haben. Der Schatz des Heiligen besteht aus Geschenken der Gläubigen, die während des Krieges zur sicheren Verwahrung in den Vatikan geschafft worden waren. Erzählungen aus erster Hand über die angebliche Heldentat des Königs von Poggioreale sind skizzenhaft, weil fast alle Zeitungen, äußerst misstrauisch, erst später darüber berichteten. Jedenfalls soll der Bürgermeister, als er den Polizeichef bat, ihm beim Rücktransport des Schatzes zu helfen, ein Nein gehört haben: Die Polizei, so die Begründung, verfüge weder über die erforderlichen Geldmittel noch die nötigen Ressourcen – ein gepanzertes Fahrzeug, zehn Lastwagen und eine aus 20  Mann bestehende bewaffnete Eskorte –, um den Schatz auf den gefährlichen Landstraßen aus der italienischen Hauptstadt nach Neapel zu schaffen. Da bot der
guappo
Navarra seine Dienste an und erledigte die Aufgabe in Begleitung eines katholischen Aristokraten heimlich mit dem Wagen – angeblich einem Fiat 22 , der unauffälliger war als Navarras Limousine. Wie er allerdings den umfangreichen Schatz im winzigen Kofferraum verstauen konnte, bleibt ungeklärt. Kurioserweise stellte Ernest Borgnine die Begebenheit später nach, als er die Titelrolle in dem Film
Der König von Poggioreale
aus dem Jahr 1961 spielte.
    Um die Gestalt Navarras rankte sich ein Gewirr aus Legenden und theatralischer Selbstdarstellung – die klassische Verharmlosung der neapolitanischen Straßen. Entsprechend zeichnete der Journalist und »professionelle Neapolitaner« Giuseppe Marotta 1947 ein typisch nachsichtiges Porträt von ihm, indem er ihn als einen Mann beschrieb, »der sich wohltätigen Werken ebenso hingebungsvoll widmet wie seiner Frau und den Monarchisten«. In Wirklichkeit besaß Navarra eine sehr reale Macht, die er durch Drohungen und Gewalt aufrechterhielt. Einheimische erinnerten sich, wie er mit Filzhut und Jacke die Straße auf und ab geschlendert war und dabei gefährlich die Pistole schwang.
    So bildete Navarra, wie andere
guappi
in der Stadt, eine Brücke zwischen den Gassen der Stadt, einschließlich der Gangsterwelt, und den Palästen der Macht. Eines der Dinge, die Italiens Mafiaorganisationen von gewöhnlichen Verbrecherbanden unterscheidet, ist ebendiese Verbindung zur Politik. Man stecke
correntisti
und
guappi
gemeinsam in ein System, und schon dürfte man mit Fug und Recht das »C«-Wort benutzen, das die neapolitanischen Zeitungen so geflissentlich zu meiden suchten.
    Gangsterismo
    Die Mafia in den Vereinigten Staaten wurde von sizilianischen Einwanderern des ausgehenden 19 . Jahrhunderts gegründet. In den Großstädten nahm man auch Ganoven aus Kalabrien und Neapel in die Organisation auf, die bald zu einer italo-amerikanischen Gang wurde. Seit dieser Zeit pendeln Ehrenmänner schmuggelnd, investierend und mordend zwischen Amerika und Italien hin und her – um sich anschließend dem Gesetz oder ihren Mafiafeinden zu entziehen. Die Geschichte der Mafia in den Vereinigten Staaten kann ich hier nicht erzählen. Dennoch haben einige Aspekte dieser Geschichte auch Auswirkungen auf die Ereignisse in Italien.
    Amerika galt im rückständigen Italien der Nachkriegszeit als ein Inbegriff der Moderne. Je nach politischer Loyalität war die Bewunderung der Italiener für die furchteinflößende Streitmacht, den unermesslichen Reichtum und die unerreichten Filmstars der Vereinigten Staaten entweder widerwillig oder rückhaltlos. Wie ein Kommentator 1958

Weitere Kostenlose Bücher