Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
Vom Netzwerk:
schrieb:
    »Die ganze Welt schaut in gespannter Erwartung nach Amerika, erhofft sich alles von diesem Land: das tägliche Brot oder die Dose Fleisch, Maschinen oder Rohstoffe, militärische Unterstützung, eine kulturelle Führung und ein politisches und gesellschaftliches System, das alle Übel dieser Welt lösen kann. Amerika liefert uns die Blaupausen für Zeitungen, wissenschaftliche Handbücher, arbeitssparende Werkzeuge, für Mode, Fiktion, Schlagermusik, für Tanzschritte und Tanzmelodien, und sogar für die Poesie … Gibt es auch nur eine Sache, die wir uns nicht von Amerika erhoffen?«
    Es gab in der Tat etwas, das von jenseits des Atlantiks anzunehmen Italien sich weigerte: eine Lektion, wie sich die Mafia bekämpfen ließ. 1950 , als Italien sein Problem mit dem organisierten Verbrechen soeben erfolgreich verdrängt hatte, fing man in Amerika wieder an, über die Mafia zu sprechen. Zum ersten Mal seit langer Zeit machte das italo-amerikanische Verbrechen Schlagzeilen. Doch die haarsträubenden Umstände des Kalten Krieges trugen insgeheim dazu bei, dass der Lärm um die Mafia in Amerika in Italien lediglich ein noch ohrenbetäubenderes Schweigen nach sich zog.
    Am 6 . April 1950 wurden in Kansas City der Wettbaron und Königsmacher der Demokraten, Charles Binaggio, sowie sein Geldeintreiber Charles Gargotta alias »Mad Dog« in einem Clubhaus der Demokraten erschossen. Die Presse veröffentlichte ein Foto von Binaggio, der unter einem großen Porträt von Präsident Harry S. Truman am Schreibtisch zusammengesackt war. Auf dem Kapitolshügel verursachte der Fall Binaggio einen Aufschrei der Entrüstung, der den letzten Widerstand gegen einen von Senator Estes Kefauver geforderten Untersuchungsausschuss zu den Verbrechen der Mafia erlahmen ließ.
    Die sogenannten
Kefauver hearings
wurden im darauffolgenden Jahr in 14  Städten der Vereinigten Staaten abgehalten. Doch es waren vor allem die spannenden, neun Tage währenden Anhörungen in New York, im März 1951 , die das Thema Mafia tatsächlich schlagartig in den Fokus der Öffentlichkeit rückten. Potentaten der Unterwelt wie Meyer Lansky und Frank Costello, dazu eine echte Gangsterbraut und viele andere zwielichtige Gestalten wurden vor den Senator und seinen scharfzüngigen Stellvertreter Charles Tobey geschleift. Kefauver bestand darauf, dass ihre Zeugenaussagen im Fernsehen übertragen wurden, vor bis zu 17  Millionen Zuschauern. Hausfrauen luden Nachmittags zu
Kefauver parties
, in den Bars herrschte gähnende Leere, weil die Männer die abendliche Zusammenfassung der Skandale des Tages nicht verpassen wollten, die Popcorn-Verkäufe verdoppelten sich, und in Brooklyn musste das Rote Kreuz einen Fernseher installieren, um zu verhindern, dass die Blutspenden versiegten.
    Die Aussage Frank Costellos (geboren als Francesco Castiglia in Kalabrien) sorgte für ein besonders fesselndes Schauspiel. Weil er sich weigerte, sein Gesicht im Fernsehen zu zeigen, übertrug die Kamera lange Nahaufnahmen seiner Hände, wie sie grausam Papier zerknüllten oder verräterisch mit einer Brille herumspielten. Dieses »Handballett« Costellos, dazu eine Stimme »wie das Todesröcheln einer Möwe«, wirkte weitaus bedrohlicher auf die Öffentlichkeit, als es sein ziemlich farbloses Gesicht vermocht hätte.
    In Italien berichtete die kommunistische Presse mit unverhohlener Schadenfreude über das betrügerische Einvernehmen zwischen Politik und organisiertem Verbrechen, das von Kefauver aufgedeckt worden war. »Aufmarsch der ›Helden‹ der amerikanischen Demokratie«, lautete eine ironische Schlagzeile:
    »Ein unentwirrbares Knäuel: politische Mauscheleien und Polizeiintrigen. Das gesamte amerikanische Regierungssystem, auf regionaler wie auf zentraler Ebene, ist in der Hand der Banden.«
    Während der Feind vor aller Welt seine schmutzige Wäsche wusch, wurde in Italien überhaupt nicht gewaschen. Hier waren die Jahre zwischen 1943 und 1950 in weit größerem Umfang als in den USA von Mafiagewalt und dem Einvernehmen zwischen der Politik und dem organisierten Verbrechen geprägt. Doch sowohl im Parlament als auch an den Gerichtshöfen hatte die Linke es in ihrem Kampf gegen die Christdemokraten versäumt, vom Mafiathema zu profitieren. Kefauver dagegen brachte die seit langem bestehenden Mafiaverbindungen von William O’Dwyer ans Licht, einem ehemaligen Bürgermeister von New York, der nun Botschafter in Mexiko war, und setzte damit dessen politischer Karriere ein

Weitere Kostenlose Bücher