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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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trieb. Er verdiente auch an landwirtschaftlichen Maschinen und an Bauprojekten. Kurzum, Don ’Ntoni war reich.
    Im Herbst des Jahres 1953 behaupteten anonyme Berichte, dass Don ’Ntoni die Plenarversammlung der Ehrenwerten Gesellschaft auf dem Aspromonte geleitet habe. 1957 bewahrten ihn seine politischen Gönner vor dem Zwangsexil, zu dem er während der Operation Marzano verurteilt worden war. Ein Jahr später war er des Mordes angeklagt und auf der Flucht vor der Polizei. 1961 wurde er für nicht schuldig befunden und auch von dem zusätzlichen Vorwurf freigesprochen, Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein. Eine Verhaftung wegen versuchten Mordes folgte 1965 . 1967 dann wurden im Zuge des sogenannten »Marktplatz-Massakers« in Locri drei seiner Rivalen erschossen und weitere zwei verwundet: Zwei Männer, mit einer Flinte und einem Maschinengewehr bewaffnet, eröffneten das Feuer auf eine Gruppe von Menschen, die im Obst- und Gemüsegroßmarkt einen Handel besiegelten. Wie immer wurde Macrì mangels Beweisen freigesprochen.
    Doch Don ’Ntonis verblüffendster Coup stand noch aus. 1967 betrog er die Bank von Neapel mit Hilfe des Filialleiters aus Siderno. Dem Filialleiter wurde gekündigt, dennoch weigerte sich die Bank von Neapel, die Polizei in ihren Ermittlungen zu unterstützen. Als Richter Marino die Beweismittel in besagtem Fall erneut in Augenschein nahm, musste er zu dem Schluss kommen, dass es neben der Mafia des Don ’Ntoni Macrì noch einen weiteren kriminellen Bund gab, und zwar innerhalb der Bank von Neapel. Der Richter war schockiert von der Häufigkeit, mit der man Don ’Ntoni auf den 900  Seiten seines Strafregisters Strafmilderung zuerkannt hatte, nachdem ihn maßgebliche Personen als einsichtig beschrieben hatten. Zum Zeitpunkt der Tagung des Großen Verbrechens auf dem Montalto 1969 war der Boss aus Siderno das geworden, was Richter Marino als ein »lebendes Symbol der Allmacht und Unbesiegbarkeit des organisierten Verbrechens« bezeichnete.
    Auch Don Domenico Tripodo, genannt »Mico«, wurde auf dem Montalto-Treffen erwähnt; er war der zweite Boss, mit dessen Biographie Richter Marino sich befasst hatte. In den Worten des Richters war Mico Tripodo ein »stolzer, unbändiger Schurke, ganz der Sache der Mafia verschrieben«. Er bezog seine Einkünfte aus Schutzgelderpressungen, Großmarktgeschäften, bewaffnetem Raub, Geldfälschung und Scheckbetrug und natürlich aus dem Bauwesen und dem Tabakschmuggel. Erwähnenswert an Tripodos krimineller Karriere ist die Tatsache, dass er sich dreimal mit demselben Trick der Inhaftierung entzog, indem er Unwohlsein vortäuschte und sich ins Krankenhaus einweisen ließ, das weniger streng bewacht war und aus dem man sich eher davonstehlen konnte. Einen Großteil seiner Zeit verbrachte er auf der Flucht vor der Polizei: Er änderte mehrmals seinen Namen und ging in Umbrien sogar eine bigamistische Verbindung ein, ehe er endlich in Perugia gefasst wurde. Dass er während des Montalto-Treffens hinter Gittern saß, hielt ihn nicht davon ab, sein Imperium zu lenken und in seinem Revier Morde anzuordnen.
    Während er über diesen Lebensläufen brütete, wurde Richter Marino begreiflicherweise von ungläubigem Zorn gepackt. Die Behörden wussten eine Menge über die ’Ndrangheta: So war beispielsweise das Treffen in Polsi eine Zeitlang ein offenes Geheimnis. Und dennoch waren sie anscheinend außerstande, wie Richter Marino bemerkte, die Machenschaften der Gangster zu durchkreuzen und den Aufstieg von Leuten wie Don ’Ntoni und Mico Tripodo zu verhindern.
    Richter Marinos fleißige und scharfsinnige Ermittlungen über die »Pilzesammler« vom Montalto stehen im krassen Gegensatz zu den Prozessen gegen die Cosa Nostra, die etwa zur selben Zeit stattfanden. Ein denkwürdiges Beispiel ist das Verfahren im Jahre 1968 , das die Beteiligten des ersten Mafiakriegs zur Rechenschaft ziehen sollte, in dessen Verlauf Palermos Verbrecherelite Alfa Romeo Giuliettas mit Bomben bestückte, um sich gegenseitig in die Luft zu sprengen. Staatsanwalt Cesare Terranova, der gegen die Beteiligten ermittelte, war sicher, dass die Mafia über eine Art zentrales Koordinationsorgan verfügte. Einem Bericht der Carabinieri zufolge, der 1963 vorlag, bestand dieses aus 15 ranghohen Mafiosi, sechs davon aus der Hauptstadt Palermo und neun aus den Kleinstädten und Dörfern der Provinz. Besagtes Koordinationsorgan war natürlich die Kommission, wie wir heute wissen. Doch wie so

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