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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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definierten und Männer wie Don ’Ntoni für schuldig befanden, bedeutete, dass Letztere auch jetzt nicht für schuldig befunden werden konnten.
    Abgesehen von der unzulänglichen Gesetzgebung würde die italienische Polizei weiterhin jene Schwächen an den Tag legen, die Richter Marino in seinem Bericht über die »Pilzesammler« vom Montalto so scharfsinnig identifiziert hatte. Die Mafias würden weiterhin auf jene planlose, sprunghafte Weise verfolgt werden, die es ermöglichte, dass die ’Ndrangheta so stark werden konnte. Viel Blut sollte fließen, ehe Italien endlich bereit wäre, Ermittlungsmethoden und Gesetze einzuführen, die der Bedrohung angemessen waren, mit der es konfrontiert war.
     
    Jahre nachdem die Versammlung auf dem Montalto gestürmt worden war, halfen die Erinnerungen einer kleinen Gruppe ’Ndranghetisti, die sich den Behörden als Kronzeugen zur Verfügung stellten, den Ermittlungsrichtern zu begreifen, wie rasant die Bedrohung durch das organisierte Verbrechen in den späten sechziger Jahren zugenommen hatte.
    Die kriminellen Profile beispielsweise von Don ’Ntoni und Mico Tripodo waren noch beunruhigender, als Richter Marino es vermutet hatte. Beide waren nämlich nicht nur Bosse der ’Ndrangheta, sondern auch vollwertige Mitglieder der Cosa Nostra. Ein Abtrünniger der ’Ndrangheta beschrieb Don ’Ntoni später folgendermaßen:
    »Dieser Mann war der oberste Boss. Er verkörperte die Ehrenwerte Gesellschaft – mit Würde, meiner Ansicht nach. Man könnte sagen, er war der Boss der Bosse, und ich bin nicht der Einzige, der seine Qualitäten schätzte (…) Er war der einzige Repräsentant, ein vollwertiges Mitglied der Cosa Nostra (…) Er war eng befreundet mit Mafiabossen wie Angelo und Salvatore La Barbera, Pietro Torretta, Luciano Liggio und den Grecos aus Ciaculli.«
    Don ’Ntoni pflegte vertrauten Umgang mit der sizilianischen Gangsterelite. Er schmuggelte Zigaretten mit ihnen oder borgte sich Killer von ihnen aus: Angeblich waren die Schützen des Massakers auf der Piazza Mercato Sizilianer.
    Auch Mico Tripodo war ein Mitglied der Cosa Nostra. Doch die Sizilianer waren nicht seine einzigen Freunde. Später in seiner kriminellen Laufbahn sollte Mico Tripodo mehrmals »zwangsumgesiedelt« werden, in unterschiedliche Regionen. Zum letzten Mal wurde er 1975 in Mondragone verhaftet, an der Nordküste Kampaniens – die Stadt gehörte ein Jahrhundert lang zu den berüchtigtesten Camorrahochburgen der Region. Als Tripodo festgenommen wurde, hielt er sich mit zwei führenden Camorristi versteckt. Dies war nur ein Indiz für die Art und Weise, wie der Zigarettenschmuggel und andere Geschäfte zwischen hochrangigen Mitgliedern der Camorra und der ’Ndrangheta Verflechtungen schufen, die fast ebenso engmaschig waren wie jene zwischen der Cosa Nostra und den beiden anderen Organisationen.
    Schrittweise entwickelte sich in Süditalien ein kriminelles System, das geschlossener war als jemals zuvor. Mitglieder der drei Mafiaorganisationen Italiens unterhielten stets Kontakte zueinander, hauptsächlich über das Gefängnissystem. Doch ab den sechziger Jahren würden die Fälle der »zweifachen« oder gar »dreifachen Mitgliedschaft« immer üblicher werden. Was hier vor sich ging, war
nicht
etwa die Entwicklung einer Übermafia, einer Dachorganisation der Unterwelt. Es war viel subtiler, effizienter: Man bündelte Kontakte, Ressourcen und Fertigkeiten. Über den Zigarettenschmuggel lernten Mafiosi, Camorristi und ’Ndranghetisti schnell, wie man zusammenarbeitet. Die neuen wirtschaftlichen Grenzen der Mafiamacht konnten gründlicher ausgebeutet werden, wenn Ehrenmänner aus unterschiedlichen kriminellen Organisationen zusammenarbeiteten.
    Die Aussagen späterer Überläufer der ’Ndrangheta verrieten auch mehr über die entscheidenden politischen Veränderungen innerhalb der kalabrischen Gangsterwelt. Vor Montalto war die ’Ndrangheta in der Provinz Reggio Calabria etwa zehn Jahre lang in drei Territorien aufgeteilt gewesen. Diese Territorien deckten sich mit den drei Küstengebieten an der Spitze des italienischen Stiefels, also mit den natürlichen geographischen Gegebenheiten der ’Ndrangheta-Macht. In Sizilien konzentriert sich etwa die Hälfte der gesamten zahlenmäßigen Stärke der Cosa Nostra um Palermo, die Hauptstadt der Insel. Im südlichen Kalabrien verteilt sich die Macht recht gleichmäßig zwischen dem Streifen Land, der Sizilien gegenüberliegt und die Provinzhauptstadt

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