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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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folgend, fuhr der Einsatzbeamte Cirillo schnurstracks nach Hause. Dort wurde er von einem Arzt untersucht, der erklärte, dass er an einem Schock leide und nicht in der Lage sei, Fragen zu beantworten. Diese gesundheitlichen Probleme hielten jedoch führende Mitglieder der Christdemokraten – darunter Flaminio Piccoli, der nationale Parteivorsitzende – nicht davon ab, Cirillo 48  Stunden vor den Ermittlungsrichtern aufzusuchen. Dieser Zeitvorsprung mochte Cirillo und seinen christdemokratischen Freunden die Gelegenheit gegeben haben, ihre Geschichten bezüglich der Verhandlungen mit den Roten Brigaden miteinander abzugleichen.
    Was hatte der »Professor« zu gewinnen, indem er zu Cirillos Freilassung beitrug? Auf jeden Fall die Möglichkeit, sich vor seinesgleichen großzutun. Er war für die Behörden von Bedeutung, saß gleichsam am Kopfende des Tisches, ganz egal welches Abkommen letztendlich zu Cirillos Befreiung geführt hatte. Doch erhielt er noch etwas anderes? Und die Roten Brigaden, bekamen sie von ihm mehr als nur Geld? Etliche Zeugen, einschließlich
brigatisti
und Camorristi, die zu den Behörden überliefen, zählten eine Reihe von Gegenleistungen auf. Sie könnten natürlich gelogen haben. Allerdings gibt es diverse Beweise, die ihre Aussagen bestätigen.
    Einige
brigatisti
behaupteten, Cutolo habe ihnen nützliche Informationen zu potentiellen Zielpersonen gegeben. Es gibt Fakten, die diese Behauptung stützen. Am 15 . Juli 1982 erschossen die Roten Brigaden den Polizeikommandanten Antonio Ammaturo und seinen Fahrer Pasquale Paola. Ammaturo war ein gemeinsamer Feind der Roten Brigaden und der NCO . Er hatte gegen Linksterroristen ermittelt. Und sobald er nach Neapel versetzt worden war, hatte er die Frechheit besessen, im Palazzo des »Professors« in Ottaviano eine Razzia zu veranstalten – das hatte noch kein Polizist vor ihm gewagt. Kurz vor seinem Tod hatte Ammaturo seine Nase gar in die Cirillo-Affäre gesteckt. Vor Gericht zu dem Mord befragt, gab sich der »Professor« wie immer aalglatt:
    »Ich habe den Roten Brigaden nicht Ammaturos Namen gegeben. An seinem Tod trage ich keine Schuld. Ich behaupte nicht, dass es mir keinen Spaß gemacht hätte, ihn zu beseitigen. Aber ich hätte es selbst getan, mit eigenen Händen, aus persönlicher Rache.«
    Das wahrscheinlichste Szenario – und hier wird die verdrehte Logik deutlich, die wirksam wird, wenn perfide Umsturzpläne und perfide Verbrechen Hand in Hand gehen – ist wohl, dass eine linksextreme Terrorzelle im Auftrag der NCO zwei tüchtige Polizisten beseitigte.
    Einem Camorrista zufolge verwandelte der »Professor« seine Vermittlerdienste in der Cirillo-Entführung auch in eine Serie von Gefälligkeiten, die seine Macht innerhalb des Gefängnissystems weiter stärkte. Daher vielleicht die Tatsache, dass am 27 . Oktober 1981 das Berufungsgericht in Neapel zu dem Urteil kam, dass Cutolo »halb geisteskrank« sei und daher eine nachsichtigere Behandlung verdient habe.
    Doch der größte Posten auf der Einkaufsliste des »Professors« war ein Stück vom Wiederaufbau-Kuchen nach dem Erdbeben. Es sei ausdrücklich betont, dass die Ermittlungen keine eindeutigen Beweise für einen solchen Tauschhandel zutage förderten. Dennoch kamen die Gerichte zu dem Urteil, dass man Unternehmern, die der NCO nahestanden – darunter der Sohn des »Professors«, Roberto –, in der Tat Aufträge im Wert von 67  Milliarden Lire ( 2011 129  Millionen Euro) zuerkannt hatte, damit sie in der Gegend um Avellino Fertighäuser errichteten.
    Das Thema der Bauaufträge führt uns in das letzte und umstrittenste Geheimnis um die Cirillo-Entführung, nämlich die Frage, wer die Verhandlungen autorisierte. Welche Politiker waren involviert und in welchem Umfang?
    Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss sollte zu dem Schluss kommen, dass definitiv Verhandlungen mit den Roten Brigaden stattgefunden hatten. Allerdings ließ sich nicht zweifelsfrei beweisen, dass als Teil der Übereinkunft Gefälligkeiten getauscht worden waren. Die Reputation einiger führender Christdemokraten war durch das Urteil stark beschädigt. Parteichef Flaminio Piccoli, zum Beispiel,
musste
von den Verhandlungen gewusst haben. Francesco Pazienza, der Geschäftemacher mit den Verbindungen zu rechtsextremen Terrorgruppen, der die letzte Verhandlungsphase geleitet hatte, war ein regelmäßiger Gast im Haus des Parteivorsitzenden der Christdemokraten. Doch im Epizentrum der Kontroverse stand

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