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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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’Ndrangheta gleich, plünderte ebenfalls das Bauwesen und verschmolz dabei mit der politischen Klasse. Bemerkenswert war auch die Tatsache, dass die Organisation des »Professors« diesen Sprung in die Bauindustrie wagte, während ihr Krieg gegen die
Nuova Famiglia
noch im Gange war.
     
    In den 1950 er Jahren hegte man in Italien die große Hoffnung, dass Staatsinvestitionen die Industrialisierung im rückständigen Süden vorantreiben würden. Mitte der siebziger Jahre hatten die internationale Wirtschaftskrise und eine lange Tradition der politischen Mauscheleien, der Korruption und der Inkompetenz in der Verteilung der Gelder diese Hoffnung begraben. Die Regierungen in Italien kehrten dem langfristigen Ideal einer wirtschaftlichen Fortentwicklung den Rücken und begrüßten stattdessen das kurzfristige Ziel einer Konsumsteigerung. Politiker wurden mit genügend Geldmitteln ausgestattet, um ihre Klientel zufriedenzustellen. Von nun an würde der Strom aus Steuergeldern, der in den Süden floss, nicht mehr gezielt für Ausbildung und Infrastruktur verwendet werden. Stattdessen würde er als feiner Nieselregen niedergehen, bestehend aus Zuwendungen und Pensionen. Dieses System wurde noch beibehalten, als sich die italienische Wirtschaft in den 1980 er Jahren längst erholt hatte.
    Das Erdbeben vom 23 . November 1980 brachte die Probleme Kampaniens an den Tag. Prestigeträchtige Gebäude, errichtet mit staatlichen Mitteln, erwiesen sich als zu schäbig gebaut, um den Erdstößen standzuhalten. Der gesamte Flügel eines öffentlichen Krankenhauses im Dorf Sant’ Angelo dei Lombardi stürzte ein und tötete mehrere Dutzend Menschen. Hier wurde wie vielerorts deutlich, dass der Verteilung von Aufträgen und Arbeitsplätzen ein höherer Stellenwert beigemessen worden war als der Errichtung eines Bauwerks, das diesen Namen auch verdient hatte.
    Die Reaktion des Staates auf den notwendigen Wiederaufbau nach dem Erdbeben war ein Paradebeispiel für schlechte Planung. Es galt nicht nur, die Ruinen wiederaufzubauen, sondern zudem neue wirtschaftliche Möglichkeiten zu schaffen für das betroffene Gebiet. Doch konfuse Notstandsgesetze kreierten ein unentwirrbares Durcheinander aus Finanzierungsprogrammen. Befugnisse und Zuständigkeiten verteilten sich auf diverse Sonderkommissare, Ministerien, Regionen, Provinzen und Kommunen, so dass es unmöglich wurde, das Wiederaufbauprogramm ordentlich zu überwachen. Gierige Politiker sahnten eilig ab. Zwei Monate nach dem Erdbeben, im Februar 1981 , kamen 316  Stadträte für Zuschüsse zum Wiederaufbau in Frage; neun Monate später waren es schon 686 . Etwa im selben Zeitraum erhöhte sich die Anzahl der gemeldeten Gebäudeschäden von 70 000 auf über 350 000 . Entweder hatte das Beben seltsam verzögerte Nachwirkungen, oder eine Menge Leute flunkerten, was das Ausmaß der Zerstörung anbelangte.
    Die Verwendung der Fördergelder erforderte tatsächlich eine Vielzahl offizieller Posten: Sachverständige, die feststellten, welche Arbeiten vonnöten waren. Bevollmächtigte, die diese Gutachten im Auftrag der Kommune bewerteten. Planer. Verwaltungsbeamte, die die Pläne der Planer genehmigten. Rechtsanwälte, die Verträge aufsetzten. Bauunternehmer. Kontrolleure und Inspektoren auf den Baustellen. Und so weiter. Doch weil die Agenturen, die das Geld erhielten, weitgehend verantwortungslos handelten, wurden viele dieser einzelnen Rollen in Wahrheit von denselben Leuten ausgeführt, die lediglich unterschiedliche Hüte trugen. Oder von befreundeten Gruppen. Oder Parteicliquen. Der Ausnahmezustand, der diesen Geiern Tür und Tor geöffnet hatte, wurde zum Dauerzustand.
    Das Resultat dieses wüsten Durcheinanders war verheerend. Ende 1990 , zehn Jahre nach dem Beben, lebten noch immer 28 572  Menschen in Notunterkünften. Wenige der versprochenen vielen tausend Arbeitsplätze waren tatsächlich geschaffen worden. Die Kosten waren in die Höhe geschnellt. Schmarotzer hatten ein Vermögen verdient. Außerdem waren neue politische Klientelen entstanden. Das Erdbeben führte zum schlimmsten Finanzskandal im Europa der achtziger Jahre. Doch dieser Skandal steckte noch in den Kinderschuhen, als die gewalttätigsten Elemente in Kampanien beschlossen, ebenfalls von der Katastrophe zu profitieren.
     
    Das Ereignis, das die Verflechtung der Camorra mit der Katastrophenwirtschaft enthüllte, war eine terroristische Entführung.
    Ciro Cirillo stand im Mittelpunkt der christdemokratischen

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