Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)
Militärkommandant des »Professors« und Verhandlungsführer in der Cirillo-Affäre – von einer Autobombe in Rom zerrissen wurde. Der Soldat der
Nuova Famiglia
, der die Sprengladung gelegt hatte, lief später zu den Behörden über und erklärte vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, warum Casillo auf so spektakuläre Weise beseitigt worden war. Dieser Mord, erklärte er, »sollte Cutolo vor Augen führen, dass er erledigt war und endlich aufhören musste, die Politiker oder Verwaltungsbeamten zu erpressen, mit denen er während der Cirillo-Entführung zu tun gehabt hatte«. Derselbe Camorrista hegte außerdem den Verdacht, dass die Geheimdienste ihm die Informationen zugespielt hatten, mit deren Hilfe er Casillos Wohnort herausfinden konnte.
Der »Professor« hatte sich übernommen. Die
Nuova Famiglia
war jetzt fest entschlossen, ihn zu bestrafen und so seine politischen Freunde auf ihre Seite zu ziehen. Die NCO löste sich allmählich auf. Führungslos, wie sie waren, wurden Cutolos ehrgeizige junge Gefolgsleute von den gut organisierten Killerschwadronen der
Nuova Famiglia
abgeschlachtet.
Das Vermächtnis des »Professors« war dennoch gewaltig. Unter seiner Ägide erreichte die Camorra ein Niveau an Reichtum und Macht, mit dem sie den Mafias in Kalabrien und Sizilien in nichts nachstand. Auch außerhalb seiner Heimat Kampanien wirkte sein Einfluss nach. Der »Professor« war in der Tat einer der Hauptgründe, warum Italien die Geburt zweier gänzlich neuer Mafias erlebte.
Die Magliana-Bande und die
Sacra Corona Unita
Die späten siebziger und die achtziger Jahre waren nicht nur eine Phase brutalster Gewalt innerhalb der klassischen italienischen Mafias. Zum ersten Mal seit 100 Jahren entstanden neben der sizilianischen Mafia, der neapolitanischen Camorra und der kalabrischen ’Ndrangheta in anderen Regionen gänzlich neue kriminelle Organisationen.
Rom war ein spezieller Fall, was die Verbreitung von Mafiamacht betraf. Alle drei großen Mafias waren dort vertreten, organisierten Entführungen, handelten mit Drogen, betrieben Geldwäsche und so weiter. Und doch versuchte keine der drei, die beiden anderen zu verdrängen. Entgegen den Erwartungen kam es zwischen Camorristi, Mafiosi und ’Ndranghetisti zu keiner direkten militärischen Auseinandersetzung auf römischem Boden. In Rom profitierten die drei größten Mafiaorganisationen lieber von einem friedlichen Nebeneinander, anstatt die Kosten und Gefahren eines »fremden« Krieges auf sich zu nehmen. Die Hauptstadt wurde zu einer Art Freihafen für kriminelle Einflüsse, ihre Reichtümer standen jedem offen. In diesem seltsamen Klima brachte Rom in den späten siebziger Jahren eine eigene kriminelle Bruderschaft hervor – eine, die gänzlich unabhängig war von Mafia, Camorra und ’Ndrangheta, wenngleich sie ihnen, was Methoden und Kontakte anbelangte, viel zu verdanken hatte.
Am 7 . November 1977 wurde Herzog Massimiliano Grazioli Lante della Rovere, der ehemalige Besitzer von Roms maßgeblichster Zeitung,
Il Messaggero
, unweit der Stadt gekidnappt. Im darauffolgenden März warf eines Nachts sein Sohn eine Tasche, die zwei Milliarden Lire ( 2011 über sieben Millionen Euro) enthielt, über die Brüstung einer Straßenüberführung. Von unten tönte eine Stimme zu ihm herauf: »Fahr nach Hause und warte. Dein Vater kommt in ein paar Stunden frei.«
Der Herzog kam niemals frei. Als das Lösegeld übergeben wurde, war er nämlich bereits tot, ermordet, weil er einen der Kidnapper ohne Maske gesehen hatte. Um den Angehörigen anhand eines Fotos beweisen zu können, dass er am Leben war, hatte man den Toten in einen Sessel gespannt, ihm gewaltsam die Augen geöffnet und eine aktuelle Zeitung in seine Hände platziert.
Die makabre Entführung von Herzog Grazioli war die erste größere Aktion einer Gruppierung namens
Banda della Magliana
(Magliana-Bande), nach der Neubausiedlung am Stadtrand von Rom benannt, aus der einige ihrer Mitglieder stammten. Die Bosse der
Banda della Magliana
– Kredithaie, Drogendealer, Hehler und vor allem bewaffnete Räuber – hatten es sich zum Ziel gesetzt, die römische Unterwelt zu beherrschen. Es dauerte nicht lange, bis sie ihr Ziel erreicht hatten.
Die
Banda della Magliana
hatte viel Ähnlichkeit mit den Mafias aus Sizilien und Kalabrien. Ihre Anführer teilten die Hauptstadt unter sich in verschiedene Reviere für den Verkauf von Drogen und beseitigten jeden Dealer, der sich weigerte, sich von
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