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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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würde weitere zwölf Jahre dauern, bis Italien schließlich erfuhr, wie falsch dieses Dementi war. Die Wahrheit würde erst nach einer Vielzahl von Dementis, unverlässlichen Zeugenaussagen, ermordeten Zeugen und vernichteten Beweismitteln an den Tag kommen. Während Cirillos Gefangenschaft hatten »staatliche Organe« nicht nur mit den Roten Brigaden, sondern auch mit Raffaele Cutolos
Nuova Camorra Organizzata
Verhandlungen geführt.
    Die Geschichte geht ungefähr so. Nur 16  Stunden nach Cirillos Verschwinden besuchte ein Agent aus Italiens Inlandsgeheimdienst SISDE den »Professor« Raffaele Cutolo im Gefängnis von Ascoli Piceno. Es fanden weitere Treffen mit Cutolo statt, bei denen der Agent von zwei Männern begleitet wurde. Der eine war ein ortsansässiger Bürgermeister aus Cirillos Lager der
Democrazia Cristiana
, das der NCO nahestand. Der andere war der stellvertretende Anführer der NCO , Enzo Casillo. Casillo, wegen seiner dunklen Haare auch ’
o Nirone
(der »Schwarze«) genannt, war der Sohn eines Hosenfabrikanten; trotz seiner wohlhabenden Herkunft war er während des Krieges gegen die
Nuova Famiglia
zum Chef der Killerkommandos der NCO bestimmt worden.
    Nach diesen ersten Treffen reisten der »Schwarze« Casillo und ein weiteres ranghohes Mitglied der
Nuova Camorra Organizzata
in den folgenden Wochen unter den Fittichen der Geheimdienste durch das Land, um an den Verhandlungen zwischen dem Staat, den Roten Brigaden und der NCO teilzunehmen – und gleichzeitig ihren Verpflichtungen im Camorrakrieg nachzukommen.
    Doch trotz aller Bemühungen seitens der SISDE -Geheimdienste blieb der »Professor« reserviert. So begann am 9 . Mai eine zweite Verhandlungsphase, als der militärische Geheimdienst SISMI sich einschaltete. SISMI war für Themen der inneren Sicherheit nicht zuständig und hatte deshalb kein Recht, im Fall der Cirillo-Entführung einzuschreiten. Nichtsdestoweniger begann sich etwas zu bewegen. Gefangene Sympathisanten der Roten Brigaden wurden nach Ascoli Piceno verlegt, um mit dem »Professor« zu sprechen, und anschließend wieder in die Gefängnisse zurückgebracht, in denen Anführer der Roten Brigaden einsaßen.
’O Nirone
Casillo setzte seine Tätigkeit als mobiler Vermittler fort. Endlich wurde das Lösegeld bezahlt und Cirillo freigelassen.
    Die Cirillo-Affäre machte deutlich, wie tief der italienische Staat im Laufe der 1980 er Jahre gesunken war. »Staatsorgane« nahmen die guten Dienste der größten kriminellen Organisation im Land in Anspruch, um mit linksextremen Terroristen zu verhandeln. Die Besetzungsliste dieser Gespräche war finster. Die letzte Phase der Verhandlungen wurde von einem Geschäftemacher namens Francesco Pazienza geführt, der irgendwie zu einem Berater für SISMI geworden war. (Er würde sich später vor Gericht verantworten müssen, weil er sich im Zusammenhang mit dem rechtsextremen Terroranschlag von 1980 auf den Bahnhof von Bologna, bei dem 85  Menschen ums Leben kamen, in Widersprüche verstrickt hatte.) Über Kanäle wie diese floss Geld – Geld, das die Roten Brigaden anschließend für weitere terroristische Aktivitäten verwenden würden. Der Wiederaufbau-Finanzzauberer der Christdemokraten war gerettet. Doch schändlicher- und tragischerweise zahlten andere statt seiner die endgültige Zeche.
    Obwohl ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss keinen direkten Beweis erbringen konnte für ein »Eine Hand wäscht die andere«-Abkommen zwischen den Geheimdiensten und der NCO , bleiben eine Menge Fragen offen. Die Cirillo-Affäre besteht aus unzähligen verstörenden Mutmaßungen und verhältnismäßig wenig Gewissheiten. Vieles bleibt im Dunkeln. Hier sind zwei der Gründe, warum das so ist.
    Zum Zeitpunkt der Cirillo-Entführung waren viele hochrangige SISDE - und SISMI -Offiziere zugleich Mitglieder der Freimaurerloge P 2 , wodurch ihre Motive sehr schwer zu ergründen sind. Jede Kombination aus Erpressung, rechtsextremer Agitation und Bestechung ist denkbar.
    Als Cirillo freigelassen wurde, in einem halbverfallenen Gebäude im Poggioreale-Viertel von Neapel, winkte er einem vorüberfahrenden Streifenwagen. Den Instruktionen gemäß sollte Cirillo geradewegs zum Polizeipräsidium gebracht werden, wo er medizinisch betreut und von den zuständigen Ermittlungsrichtern befragt werden konnte. Doch die Fahrt hatte kaum begonnen, als der Wagen von vier weiteren Polizeiwagen blockiert und an der Weiterfahrt gehindert wurde. Einem Befehl von oben

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