Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)
ihnen kontrollieren zu lassen. Sie hatten einen gemeinsamen Fonds, aus dem sie schöpften, um inhaftierte Mitglieder und deren Familien zu unterstützen, um Polizisten und Carabinieri zu bestechen und wichtige Freunde zu gewinnen. Wie die traditionellen Mafias beschloss die
Banda della Magliana
ihre Morde zentral, wobei sie stets die strategischen Ziele der Organisation im Auge behielt. Sie fungierte auch als Holdinggesellschaft, die jede Gelegenheit zum Geldverdienen nutzte, ihre Einnahmen in neue kriminelle Unternehmen investierte und ihr Bargeld über legale Unternehmen wusch, vor allem im Immobiliensektor.
Von Anfang an war die
Banda della Magliana
eng mit den traditionellen Mafias verflochten. Sie bezog en gros Heroin von der Cosa Nostra – zunächst von Stefano Bontates Anhängern und später, als Bontate und seine Freunde beseitigt worden waren, von Totò Riinas
corleonesi
. Bereits 1975 hatte die Polizei einen der künftigen Anführer der Bande dabei beobachtet, wie er im römischen Restaurant »Il Fungo« mit hochrangigen ’Ndranghetisti plauderte, darunter Giuseppe Piromalli aus Gioia Tauro und Paolo De Stefano aus Reggio.
Die
Banda della Magliana
bezog ihre Inspiration auch aus der
Nuova Camorra Organizzata
. Einer ihrer Begründer hatte den »Professor« im Gefängnis kennengelernt und war ein großer Bewunderer. Einige teilten seine Visionen, wie ein Bandenmitglied später gestehen würde: »Wir beschlossen, dasselbe in Rom aufzuziehen wie Raffaele Cutolo in Neapel.« 1979 , als der »Professor« auf der Flucht war, nachdem er sich »ein wenig geräuschvoll« aus der Nervenheilanstalt in Aversa verabschiedet hatte, mietete er ein ganzes Stockwerk in einem Hotel in Fiuggi, einer Bäderstadt südlich von Rom, und führte dort Verhandlungen mit der
Banda della Magliana
. Zweck des Treffens war, »eine Strategie zu finden, die mit den Zielen beider Gruppen kompatibel war«. Kurz nach dem Treffen tat die
Banda della Magliana
den Neapolitanern ehrerbietig einen Gefallen, indem sie ihnen einen metallic-grünen BMW 733 vom Hals schaffte, dessen Innenraum voller Blutflecken war – das fragliche Blut hatte einem Baulöwen gehört, den Cutolo selbst erschossen hatte. Die NCO und die
Banda della Magliana
verband eine Zweckfreundschaft mit dem Faschisten und Umstürzler Aldo Semerari – Professor für forensische Psychologie und mit den Geheimdiensten im Bunde –, der schließlich unweit des Cutolo-Palastes in Ottaviano einen Kopf kürzer gemacht werden sollte. Wie die NCO erhielt auch die
Banda della Magliana
die Gelegenheit, in Semeraris gewalttätigen rechtsextremen Plänen eine aktive Rolle zu spielen; die Römer lehnten das Angebot ab, tauschten aber Waffen gegen Gefälligkeiten – genau wie die NCO .
Im Gegensatz zur NCO oder den traditionellen Mafias in Sizilien und Kalabrien verzichtete die
Banda della Magliana
jedoch auf Initiationsrituale und mystischen Hokuspokus. Dies war wohl auch der Grund, warum sie trotz ihres Reichtums und ihrer Gewalttätigkeit nicht dauerhaft Fuß fassen konnte: So gesehen stellte die
Banda della Magliana
keine Mafia dar. Schon Mitte der achtziger Jahre hatte sie zu bröckeln begonnen. Schuld waren jene blutigen Auseinandersetzungen und Denunziationen, denen die traditionellen Mafias stets in bemerkenswerter Weise getrotzt hatten.
Die
Sacra Corona Unita
(Heilige Vereinte Krone) oder SCU ist die Mafia in Apulien, jener Region, die den Absatz des italienischen Stiefels bildet. Ihre Geschichte beginnt 1978 , als sich im benachbarten Kampanien der Konflikt zwischen der
Nuova Camorra Organizzata
und der
Nuova Famiglia
anbahnte. Die Gefängnisverwaltungen versuchten die Spannungen in den Gefängnissen zu entschärfen, indem sie Insassen mit Camorrahintergrund in Einrichtungen anderer Regionen verlegten, unter anderem nach Apulien. Kaum befanden sich die Schüler des »Professors« scharenweise in apulischen Vollzugsanstalten, setzten sie sich schnell an die Spitze der Hackordnung und gingen daran, lokale Ganoven in die NCO zu rekrutieren. Im Januar 1979 stattete Cutolo persönlich Apulien einen Besuch ab und hielt eine Versammlung in einem Hotel in Lucera ab, um mehr als 40 örtliche Kriminelle zu »legalisieren« – er unterzog sie in anderen Worten dem Initiationsritual der
Nuova Camorra Organizzata
. Bei einem zweiten Treffen, diesmal in der Nähe von Lecce, wurden weitere 90 apulische Verbrecher rekrutiert.
1981 gründete der »Professor«, mittlerweile wieder
Weitere Kostenlose Bücher