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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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»Weihnachtsattentat« (wie es genannt wurde) auf den Grund ging, stieß sie in Calòs Haus auf ein Waffenarsenal, das auch Panzerabwehrminen enthielt.
    Jetzt trottete Calò in einem gelben Hemd und einer rehbraunen Schlaghose, den spärlichen grauen Haarkranz über Ohren und Kragen nach hinten gekämmt, über den grünen Fußboden des Gerichtsbunkers. Sein unverschämtes Grinsen verriet die übergroße Zuversicht, dass 150  Jahre Straflosigkeit für die sizilianische Mafia längst nicht zu Ende wären. Buscetta sei »zehnmal ein Lügner«, erklärte Calò; er habe seine Aussagen aus dem
Paten
geklaut, man könne ihm nicht trauen wegen seines unmoralischen Lebenswandels. (Der epochemachende Kronzeuge hatte dreimal geheiratet.)
    Buscettas Vergeltung war vernichtend. Zum Thema Familienwerte: Calò habe an den Kommissionstreffen teilgenommen, die Buscettas Bruder und Neffen zum Tode verurteilt hätten: Deren einziges »Verbrechen« habe darin bestanden, mit ihm, dem Boss zweier Welten, verwandt zu sein. Des Weiteren beschuldigte Buscetta Calò, ein anderes Mitglied der Familie aus Porta Nuova eigenhändig erwürgt zu haben.
    In Reaktion darauf begann Calò sichtlich zu schwanken. Nachdem er bestritten hatte, dem Strangulationsopfer jemals begegnet zu sein, war er nun gezwungen zuzugeben, dass er den Mann aus dem Gefängnis kannte. Nach dieser Begegnung wagte es keiner der Angeklagten mehr, Buscetta direkt herauszufordern.
    Immer mehr Beweise für die Barbarei der Cosa Nostra kamen ans Licht. Besonders schockierend war die Aussage Vincenzo Sinagras, eines Kleinkriminellen aus einem Elendsviertel von Palermo, der seine Aussage in einem fast unverständlichen Dialekt machte. Sinagras Beziehung zur Mafia hatte begonnen, als er den schrecklichen Fehler beging, jemanden mit Mafiaverbindungen zu bestehlen – ein schweres Vergehen im Wertesystem der Cosa Nostra. Doch weil einer seiner Cousins ein Ehrenmann war, erhielt Sinagra die Chance, den Gangstern 1981 bis 1983 bei ihren Morden zur Hand zu gehen. Als er nach einem missglückten Mordanschlag verhaftet wurde, machte Sinagra einen wenig überzeugenden Versuch, Geisteskrankheit vorzutäuschen. Es ist vor allem Paolo Borsellinos außerordentlicher Empathie geschuldet, dass dieser mitleiderregende Mensch sich überreden ließ, dem Staat zu vertrauen und jeden seiner Morde zu gestehen. Er erklärte, man habe ihm monatlich das Äquivalent von 200 oder 300  Dollar gezahlt, damit er einem von Riinas ruchlosesten Killern dabei half, seine Opfer zu quälen und zu strangulieren und danach ihre Leichen in Säure aufzulösen – ein Verfahren, das er dem Gericht mit bescheidener Klarheit und in allen grausigen Details beschrieb.
    Gegen die Aussagen von Zeugen wie Sinagra wirkten die Worte der Bosse grotesk gesittet, durch eine fast absurde Distanz von der Realität ihres Gewerbes getrennt. Der
capo
, dessen Darbietung am längsten im Gedächtnis haften sollte, war Michele Greco, der »Papst«, nominelles Oberhaupt der Kommission während des zweiten Mafiakrieges, doch in Wirklichkeit nur Totò Riinas Hampelmann. Grecos Favarella-Anwesen in Ciaculli war Schauplatz der meisten Aktivitäten in den frühen achtziger Jahren gewesen. Es hatte eine Heroinküche beherbergt, und seine großen Keller boten untergetauchten Killern eine verlässliche Zuflucht. Viele Treffen der Kommission hatten hier stattgefunden. Gegen Ende des Jahres 1982 hatte der »Papst« ein Festessen veranstaltet, an dessen Ende Saro Riccobono, Boss der Familie Gaspare Mutolos, auf seinem Stuhl erdrosselt wurde, während zwischen den Zitrusbäumen auf seine Männer Jagd gemacht wurde.
    Als er im weitläufigen Gerichtssaal in seinem nachtblauen Anzug vor einem Mikrofon saß, bestand Greco darauf, dem Kreuzverhör eine lapidare Erklärung vorauszuschicken: »Gewalt ist nicht Teil meiner Würde. Lassen Sie mich das wiederholen: Gewalt ist nicht Teil meiner Würde.«
     
    Grecos Worte waren von bedeutungsschwangeren Pausen begleitet, als hätte er gerade eine der fundamentalen Gesetzmäßigkeiten der Physik formuliert. Er schien allen Ernstes davon auszugehen, dass diese mehrmalige Beteuerung seines guten Charakters ausreiche, um einen Freispruch zu erwirken, und beschuldigte dann die Filmemacher, sie würden den
pentiti
Flausen in den Kopf setzen. »Bestimmte Filme bringen den Menschen den Ruin. Gewalttätige Filme. Pornographische Filme. Sie ruinieren die Menschheit. Denn hätte [Totuccio] Contorno, anstatt sich

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