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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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endlos hinziehenden Kampf. Kanadische ’Ndrangheta-Bosse versuchten einzuschreiten, dem Blutvergießen Einhalt zu gebieten, doch vergebens. Sechs Jahre vergingen und 600  Leben wurden ausgelöscht, ehe ein Kompromiss gefunden wurde. Die Rekonstruktion der Ereignisse des zweiten ’Ndrangheta-Krieges und der Gründe, die zu ihm geführt hatten, erregte bei den Richtern berechtigten Zorn: »Große Machtverschiebungen. Hochzeiten, die Bündnisse besiegelten. Geheime Allianzen. Es waren die warnenden Vorzeichen des Konflikts – eines Konflikts zwischen kontroversen kriminellen Persönlichkeiten, die allesamt ebenso gerissen waren wie dumm entschlossen, das sinnlose Blutvergießen fortzusetzen.« Nach Aussage derselben Ermittlungsrichter »wählten die kriegführenden Parteien, die mittlerweile dezimiert waren, ihre Opfer am Ende nach Gutdünken, nur um kundzutun – vielleicht eher sich selbst als dem Gegner –, dass es sie noch gab«.
    Der Mafiakrieg war zum Selbstzweck geworden. Sizilien, Kampanien und Kalabrien liefen Gefahr, im Drogensumpf unterzugehen, aufgeblasene Imperien der Korruption zu werden, beklemmende Zerrbilder eines zivilisierten Europas, zu dem sie eigentlich gehörten.
    ’U maxi
    Der Maxi- oder Mammutprozess in Palermo begann am 10 . Februar 1986 mit kaum verhohlener Skepsis in der internationalen Presse. Ausländische Korrespondenten gaben sich einhellig verwirrt angesichts der Größe des Unterfangens: 3000  Polizisten bewachten den Gerichtsbunker; für sämtliche Richter und Geschworene gab es Zweitbesetzungen, nur für den Fall, der ersten Riege würde etwas zustoßen; 475  Angeklagte, gegen ein Viertel sollte
in absentia
verhandelt werden – darunter natürlich Totò Riina persönlich. Die
New York Times
gab das »Buscetta-Theorem« in Begriffen wieder, die den Eindruck vermittelten, als kämpften Falcone und Borsellino gegen Windmühlen: »Die Staatsanwaltschaft wird versuchen zu beweisen, dass einzelne Taten Teil einer umfassenden kriminellen Verschwörung waren, die vor Jahrhunderten entstand und jetzt von Bangkok bis nach Brooklyn reicht.«
    Jenseits des Teichs bezeichnete
The Economist
die Palermer Kommission, das Führungsgremium der Cosa Nostra, als »Phantasieprodukt«.
The Observer
nannte
’u maxi
einen »Showprozess«, dessen einzige Vorgänger aus faschistischer Zeit stammten.
The Guardian
äußerte sich noch geringschätziger, indem er behauptete, die ganze Sache erinnere stark an »eine Inszenierung von Barnum und Bailey« – also an einen Zirkus oder eine Kuriositätenschau.
    Kaum verhohlene Stereotypen klangen aus diesen Ansichten: Die Arbeit des Antimafia-Teams war, wie der faschistische Feldzug gegen die Mafia, den sie unweigerlich beschwor, eine typisch italienische Mischung aus Schauermärchen, Melodram und Possenspiel.
    Nicht nur die ausländischen Medien warfen mit Stereotypen um sich. In Italien wurde genau wie im Ausland Mussolinis Kampf gegen die Mafia häufig mit Falcones und Borsellinos Mammutprozess in Zusammenhang gebracht. Doch was die Menschen mit »Faschismus« meinten, war kaum mehr als eine grobe Metapher – ein dämonisches Bündnis zwischen Propaganda und Staatsbrutalität. In anderen Worten, der Faschismus im kollektiven Gedächtnis hatte wenig mit der widersprüchlichen Realität dessen gemein, was wirklich in den 1920 er und 1930 er Jahren passiert war. Mussolinis Razzien im Westen Siziliens hatten sicherlich ihre brutale Seite. Doch sie waren auch überraschend ineffektiv. Um nur ein Beispiel zu geben: 1932 wurden viele frisch verurteilte Mafiosi im Zuge einer Amnestie freigelassen, die ihnen anlässlich des zehnten Jahrestags der Machtergreifung des Duce zuerkannt worden war. In Wahrheit trug der Mammutprozess nur in den Augen seiner Gegner faschistische Züge.
    Nichtsdestoweniger sahen die Zweifler durch den übertrieben schleppenden Beginn des Verfahrens ihre Vorurteile bestätigt. Der Richter brauchte drei Stunden, nur um die Anklageschrift zu verlesen; und zwei Tage, um nachzuprüfen, ob alle Angeklagten durch Anwälte vertreten waren. Wie man es ihnen beigebracht hatte, trugen die Mafiosi das Ihre dazu bei, das Gericht zu diskreditieren: Manche schützten Wahnsinn oder Krankheit vor; andere ergingen sich in endlosen Spitzfindigkeiten oder beklagten sich lautstark über ihre Haftbedingungen. Der Vorsitzende Richter, Alfonso Giordano, ließ sich nicht aus dem Konzept bringen, hörte sich aber trotzdem jeden vernünftigen Einwand seitens der

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