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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Angeklagten und ihrer Anwälte an. In den kommenden Monaten würde er unendlich viel Geduld und gesunden Menschenverstand beweisen, was ihm verdientermaßen Beifall einbrachte. Der Mammutprozess würde vieles sein, aber gewiss kein Possenspiel.
    Falcone, Borsellino und Caponnetto standen vielen Kritikern und Zweiflern in mehreren Interviews Rede und Antwort. Sie bestritten vehement, dass ihre Beweisführung ausschließlich auf den Bezichtigungen abtrünniger Ganoven beruhte. Ein Berg von Indizien war gesammelt worden, der bestätigen würde, was Tommaso Buscetta, Totuccio Contorno und die übrigen
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behauptet hatten. Falcone und Borsellino waren zu Recht stolz auf die Tatsache, dass der Mammutprozess auch die größte Überprüfung von Bankdaten in der italienischen Geschichte beinhaltete. Sie bestritten außerdem, dass sie Pauschalurteile zu fällen versuchten, ohne die besonderen Umstände eines jeden Angeklagten zu berücksichtigen. Die beiden Richter argumentierten, dass keines der Verbrechen für sich allein einen Sinn ergebe, es sei denn, man füge sie in das größere Bild eines Machtkampfes innerhalb der Cosa Nostra; die Verbrechen seien lokale Schlachten im Kontext eines Krieges. Vor allem aber bestanden die Ermittler darauf, dass der Mammutprozess kein Riesenspektakel war. Die unitäre Natur der Mafia könne nicht bewiesen werden, wenn nicht eine große Anzahl von Mafiosi gleichzeitig vor Gericht stehe.
    Falcone und Borsellino hatten natürlich absolut recht mit dem, was sie sagten, und waren dabei auch politisch geschickt. Jedes Zugeständnis an die Deutung, sie hätten das Drehbuch für ein juristisches Spektakel geschrieben, hätte dem Vorwurf ihrer Gegner, sie seien nur ehrgeizige Angeber, Tür und Tor geöffnet. Gleichwohl trug in Sizilien, wo die Macht der Ehrenwerten Gesellschaft bislang ebenso furchterregend wie unsichtbar gewesen war, der Anblick von Mafiosi, die ins Kreuzverhör genommen wurden, dazu bei, den Unbesiegbarkeitsmythos der Mafia zu zerstören. So ließ es sich nicht vermeiden, dass der Mammutprozess zum Spektakel wurde.
    Das eigentliche Schauspiel begann am 3 . April 1986 , als das unentwegte Gezänk und Geschwätz aus den Käfigen der Angeklagten im Hintergrund mit der Erklärung Richter Giordanos, dass Tommaso Buscetta bereit sei, eine Aussage zu machen, endlich verstummte. Der Boss zweier Welten stand kurz davor, sein epochemachendes Versprechen einzulösen und sein Geständnis nicht zurückzuziehen. Die Angeklagten waren gespannt, als er sprach – zunächst hinter einem Spalier aus Polizisten und später hinter einem tragbaren kugelsicheren Schild, das auf Betreiben der Behörden der Vereinigten Staaten angeschafft worden war. Im Laufe einer Woche bestätigte Buscetta die Struktur der Cosa Nostra, wie er sie Giovanni Falcone erklärt hatte, und erzählte vom Aufstieg der Corleoneser. Obschon dies die zentrale Behauptung der Staatsanwaltschaft war, war sie für die Öffentlichkeit nichts Neues: Diagramme vom pyramidalen Aufbau der Mafia waren in jeder Zeitung erschienen, seit der Pool mit der Nachricht, dass Buscetta »bereut« hatte, an die Öffentlichkeit gegangen war.
    Bemerkenswerterweise bat einer der Angeklagten um die Chance, Buscetta persönlich zu befragen. Pippo Calò war nicht irgendein Mafioso. Von keinem anderen als Buscetta in die Porta-Nuova-Familie der Cosa Nostra eingeführt, hatte Calò es zum Repräsentanten der Familie gebracht und sich mit Totò Riina verbündet. Anfang der 1970 er Jahre war Calò nach Rom gezogen, wo er eng mit der Magliana-Bande zusammengearbeitet und wie sie Kontakte mit Rechtsterroristen gepflegt hatte. Die Investitionen, die er im Auftrag der Palermer Bosse getätigt hatte, brachten ihm in der Presse den Spitznamen »Schatzmeister der Cosa Nostra« ein. Calò wurden nicht weniger als 64  Morde zur Last gelegt. In einem zweiten Verfahren war er angeklagt, eine Bombe in einem Zug von Neapel nach Mailand gelegt zu haben. (Der Vorwurf wurde am Ende bestätigt.) Am 23 . Dezember 1984 detonierte die Bombe in einem Tunnel zwischen Florenz und Bologna; 17  Menschen kamen dabei ums Leben, darunter Federica Taglialatela (zwölf) und die gesamte Familie De Simone, bestehend aus Anna und Giovanni (neun und vier) und deren Eltern. Calò hatte das Attentat gegen unschuldige Menschen nur deshalb geplant, um die Aufmerksamkeit der Regierung von der Cosa Nostra abzuziehen und wieder auf den Terrorismus zu lenken. Als die Polizei dem

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