Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)
seinem Haus gestohlen. Die Verbindungen des jungen Mannes hätten dem alten Gambino Angst eingejagt, so dieser, und so habe er den Diebstahl nicht angezeigt.
Dann, im Jahre 1863 , hatte Giuseppe Biundi Gambinos Bruder entführt und ermordet. Der alte Mann konnte nicht länger schweigen: Nachdem er der Polizei einen Wink gegeben hatte, wurden Biundi und sein Komplize verhaftet und zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt.
Während er elf Jahre später in Sangiorgis Büro saß, schilderte Gambino die entsetzlichen Konsequenzen seiner Handlungsweise.
»Zunächst verfolgte die Mafia mich aus niedriger Profitgier. Doch nachdem ich mich an die Polizei gewandt hatte, legten sie mir aus einem weitaus ernsteren Grund die Daumenschrauben an: persönliche Rache.«
Doch die Rache war nicht sofort erfolgt: Giovanni Cusimano, »der Schwarze«, hatte drei Jahre gewartet, bis zum Aufstand im September 1866 .
Beim Ausbruch der Revolte war Gambino im Vertrauen gewarnt worden, er befinde sich in großer Gefahr und müsse San Lorenzo auf der Stelle verlassen. Seine Söhne hatten daraufhin Bargeld, Kleidung, Wäsche, Küchengerätschaften und die Hühner der Familie auf einen Eselskarren geladen und den Hof verlassen, um bei einem befreundeten Bauern Unterschlupf zu finden. Unterwegs wurden sie von 17 Mafiosi angegriffen. Ein erbitterter Schusswechsel folgte; Salvatore Gambino wurde in den linken Oberschenkel getroffen. Doch beide Brüder kannten die Gegend genau und entkamen über die Mauer eines nahe gelegenen Anwesens. Die Habseligkeiten der Familie ließen sie im Stich, sie wurden von den Peinigern geplündert.
Das Palermer Hinterland war damals fast vollständig in der Hand der Aufständischen gewesen. Weil die Familie Gambino befürchten musste, dass ihr Zufluchtsort keinen ausreichenden Schutz mehr bieten würde, begab sie sich nach Resuttana, dem Nachbarsdorf von San Lorenzo in der Piana dei Colli. Dort wurden sie von einem gewissen Salvatore Licata aufgenommen. In seinem Haus erhielten die Gambinos tags darauf ein Päckchen von Giovanni Cusimano: Es enthielt einen Brocken Fleisch von ihrer Stute. Als Mafiabotschaft besaß dieser Brocken vielleicht nicht das filmische Flair des abgetrennten Pferdekopfs aus
Der Pate
, doch seine Bedeutung war so ziemlich die gleiche:
Il Nero
hatte mit der Familie Gambino noch ein Hühnchen zu rupfen.
Inspektor Sangiorgi verrät uns nicht, was ihm alles durch den Kopf ging, während er dem alten Gambino zuhörte – er war ein viel zu besonnener Polizist, um solche Gedanken niederzuschreiben. Doch um sowohl die Dramatik des Gehörten wie auch die Intrige einschätzen zu können, in die Sangiorgi hineingezogen wurde, kommen wir nicht umhin uns vorzustellen, wie seine grauen Zellen zu arbeiten anfingen, als er erfuhr, wer den bedrängten Gambinos im September 1866 in Resuttana Zuflucht gewährt hatte. Sangiorgi war fremd auf Sizilien, ein Norditaliener. Doch er war lange genug in Palermo gewesen, um die unselige Macht der Licatas zu kennen. Allein der Name Licata sagte ihm, deutlicher als alles andere, dass Gambino einen wesentlichen Teil der Wahrheit vor ihm verbarg.
Salvatore Licata war zu dem Zeitpunkt, als er die Gambinos bei sich aufnahm, 61 Jahre alt. Er war außerdem einer der angesehensten Mafiosi der Conca d’Oro und verfügte über ausgezeichnete Beziehungen.
Wie viele bedeutende Mafiabosse, einschließlich Turi Miceli aus Monreale, »der Schwarze« aus San Lorenzo und Don Antonino Giammona aus Uditore, hatte Licata sowohl 1848 als auch 1860 einen Trupp Aufständischer nach Palermo geführt. Doch während der Revolte von 1866 hatte er seine Schläger mobilisiert, die sich als sogenannte »Konterrevolutionäre« den Aufständischen entgegenstellten. Licata gehörte in anderen Worten zu den schlauen Mafiosi, die erkannt hatten, dass sie mit ihrer Revolte mehr zu verlieren als zu gewinnen hatten.
Sein Sohn Andrea war ein Offizier der Reitermiliz, einer berüchtigten korrupten Polizeitruppe. Seine drei übrigen Söhne waren bewaffnete Räuber und Erpresser, denen man dank der ausgezeichneten Beziehungen der Familie Straffreiheit zugesichert hatte.
Wie die Licatas und wie Don Antonino Giammona, eine Säule der Nationalgarde, kappten viele Bosse in Palermo während des Aufstands von 1866 ihre noch vorhandenen Verbindungen zu den Revolutionären.
Die Freundschaft des alten Gambino mit dem furchteinflößenden Licata-Clan lässt den sehr starken Verdacht aufkommen, dass Gambino und
Weitere Kostenlose Bücher