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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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Piana dei Colli erneut in einen Hinterhalt geraten. Nach einer ersten Gewehrsalve lieferten sie sich ein Handgemenge mit den sechs Angreifern. Wieder entkamen die Brüder durch die Zitronengärten. Obwohl Antonino Gambino sich eine Kopfwunde eingefangen hatte, konnte er einem der Angreifer ein Gewehr entreißen.
    Die Gambinos wussten, wer ihnen aufgelauert hatte: Sie hatten alle sechs Angreifer erkannt. Wie vorherzusehen war, waren fünf davon Handlanger des »Schwarzen«. Weniger vorhersehbar und weitaus beunruhigender war allerdings die Tatsache, dass auch ein Mafioso namens Giuseppe »Gottlob« Riccobono geschossen hatte. Riccobono war ein Schwiegersohn Antonino Giammonas, des dichtenden Bosses aus Uditore. Für den alten Gambino bedeutete dies, dass seine Familie jetzt dem gebündelten Zorn
zweier
Mafiafraktionen ausgesetzt war, die in unterschiedlichen
borgate
saßen: ihre alten Feinde, die Cusimanos aus San Lorenzo, und jetzt auch noch die Giammonas aus Uditore. Gambino sprach von »Parteien« oder »Verbindungen«. Heute würden wir sie als Mafiafamilien bezeichnen.
    Doch während der Angriff ein besorgniserregendes neues Bündnis gegen die Gambinos an den Tag gebracht hatte, hatte er ihnen auch eine möglicherweise verheerende Waffe gegen ihre Feinde in die Hand gespielt: das Gewehr, das Antonino Gambino an sich gerissen hatte. Es war der konkrete Beweis für die Identität der Angreifer – vorausgesetzt, die Gambinos fänden den richtigen Ansprechpartner bei den Behörden, dem sie den Beweis vorlegen konnten.
    Während der alte Gambino noch immer das unschuldige Opfer mimte, erklärte er Sangiorgi, dass er sich an die Licatas wenden wolle, seine dynastischen Verbündeten, damit diese das Gewehr, das man Cusimanos Männern abgenommen habe, sinnvoll zum Einsatz brächten.
    Doch was nach einem klugen Schachzug ausgesehen hatte, offenbarte nur umso grausamer die Isoliertheit der Gambinos. Die ranghohen Beamten, die mit den Licatas in Verbindung standen, ignorierten das Gewehr. Noch schlimmer aber war, dass sie gewisse Andeutungen machten, die dem alten Gambino suggerierten, er solle für den Diebstahl der Waffe zur Rechenschaft gezogen werden.
    Die Gambinos standen jetzt im Visier der drei mächtigsten Mafia-
cosche
in der Piana dei Colli. Ihr Schutz, das Netz aus »Seelenverwandtschaften« und Ehebündnissen, war zerrissen. Nun stand die Familie völlig isoliert. Achtzehn Monate später, im Morgengrauen des 18 . Juni 1874 , bekam sie die tödlichen Folgen dieser Isolation zu spüren, als Antonino Gambino erschossen wurde.
    Während Sangiorgi zuhörte, beschrieb der Alte seine Reaktion auf den Tod des Sohnes mit Worten, die einerseits aufrichtig anrührend, andererseits gruselig manipulativ waren. Als ihn die Kunde von dem Mord erreicht habe, sei Gambino in der Gewissheit, dass Giovanni Cusimano, »der Schwarze«, blutige Rache genommen habe, so schnell er konnte zu dem blutenden Leichnam gehumpelt, um ihn zu umarmen. Stundenlang habe er dagesessen und seinen Sohn an sich gedrückt.
    Nach einer Weile sei »der Schwarze« selber aufgetaucht. Er habe sich über die Leiche gebeugt, grob ein Augenlid in die Höhe gezogen, sich an den verstörten Vater gewandt und ihm gesagt, dass nichts mehr zu machen sei.
    Kurze Zeit später war Inspektor Matteo Ferro erschienen, Sangiorgis Vorgänger im Bezirk Castel Molo. Er hatte »den Schwarzen« als einen Menschen beschrieben, »der sich mit ganzem Herzen für Recht und Gesetz starkmache«.
    Mittlerweile habe »Gambino wie ein Besessener geschrien«. Er habe Inspektor Ferro sagen hören, er solle sich zusammenreißen, und gespürt, dass »der Schwarze« ihn auf die Beine zu zerren versuchte. Gambino habe sich losgerissen und gebrüllt: »Fort mit euch! Rührt mich nicht an!« Dann habe er, voller Wut und Verzweiflung, gehört, wie Inspektor Ferro ihn fragte, ob er »Licht ins Dunkel bringen könne, was den Mord anging«. Natürlich habe er nichts erwidern können, zumal der Mafioso, der den Mord angeordnet hatte, dabeigestanden habe.
    Inspektor Ferro überließ den Alten seiner Trauer und begab sich in die nahe gelegene Villa, die Giovanni Cusimano »gemietet« hatte. Der Wachtmeister der örtlichen Carabinieri gesellte sich zu ihm. Auch er war, wie wir wissen, regelmäßig bei
il Nero
zu Gast.
    Da kam auch Calogero Gambinos zweiter Sohn Salvatore, um den ermordeten Antonino zu beweinen. Die Kunde erreichte schnell die Mafiosi und Polizisten in Cusimanos Villa. Sogleich kam

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