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Omka: Roman (German Edition)

Omka: Roman (German Edition)

Titel: Omka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Aschenwald
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Omka unterbrach sie.
    »Er hat etwas verschluckt.«
    Velinkas freundliches Lächeln fiel von ihrem Gesicht ab, sie nahm Omka das Kind ab, ohne Hektik, ohne Panik, nahm mit einer Hand ihre Brille ab und sah es genau an.
    »Inka!«, sagte Jonas und lachte kurz und wollte ihr an die Nase fassen. Er hustete nicht, er würgte nicht, er schien sich nicht zu fürchten. Velinka sah zu Omka, die immer noch in der Tür stand.
    »Jetzt kommen Sie doch erst mal rein. Ich … ich kann mir nicht denken, dass … warten Sie mal.« Sie stellte Jonas auf den Boden, Omka zog sich den Mantel aus, um sich gleich darauf zu ihm hinunterzubücken, Velinka zog an seinen Stiefelchen und an seiner Jacke, die achtlos auf den Boden fiel. Als sie ihm aus dem zweiten Ärmel helfen wollte, bemerkte sie sein geschlossenes Fäustchen und bog seine Finger auseinander.
    »Ja, das ist es – davon hat er eines verschluckt«, sagte Omka aufgeregt. »Er hat sie unten vor der Tür gefunden, ich weiss nicht mal, ob es giftig ist oder nicht oder ob …« Velinka nahm Jonas die zwei Kügelchen aus der Hand.
    »Vor der Tür, sagen Sie?«
    »Ja.«
    Velinka betrachtete sie genauer. »Wissen Sie, da gibt es, soweit ich weiß, nur eine Erle. Einer meiner Enkel hat bei einem Spaziergang einmal einen halben Tannenzapfen gegessen, weil ihm mein Sohn erklärt hatte, dass die Eichhörnchen das machen, und es ist nichts passiert.«
    »Sie glauben also wirklich, es kann nichts passieren?«
    »Ja«, sagte Velinka, »wissen Sie, es gibt nur sehr wenig Sachen, die so giftig sind, dass … und schon gar nicht im Winter in der Stadt.« Omka fiel etwas ein, sie ging nochmals vor die Tür und holte die drei Kartons mit den Babysachen. Jonas wollte ihr nachlaufen, aber Velinka hob ihn auf, bis sie wieder zurück war.
    »Was für eine Aufregung«, sagte sie. Jonas lachte.
    »Jetzt trinken wir Kaffee. Und Sie bekommen auf den Schreck ein Gläschen Slibowitz dazu!« Velinka verschwand in der Küche, Omka zog ihre Stiefel aus und fragte unbeholfen: »Soll ich Ihnen etwas helfen?«
    »Ach nein, setzen Sie sich nur ins Wohnzimmer, ich bin gleich da.«
    Velinkas Wohnung erinnerte Omka an eine wenig geschmackvoll eingerichtete Puppenstube, eine unüberblickbare Mischung aus verschiedenen Mustern, Stilen, Farben und Materialien. Nichts schien zueinanderzupassen, die beiden wahrscheinlich slowenisch gekleideten, gesichtslosen Strohpuppen an der Garderobe, der glänzend schwarze Holzkasten im Gang, worin Velinkas Mäntel und Jacken hingen, die Blumenbilder an den Wänden, die mit wolkigen Pastellfarben gemalt waren, der kleine Kristallleuchter im Wohnzimmer, wo verschiedene Stühle, unter anderem ein Korbsessel, um den Tisch standen. Jonas hatte Velinkas Körbchen mit dem Strickzeug gefunden und begonnen, an dem Faden zu ziehen, sodass sich die Wolle abwickelte und das Knäuel auf dem Boden herumsprang. Als Velinka mit dem Tablett, beladen mit Tassen, Kaffeekanne, einer Flasche und Tellern, zur Tür hereinkam, bemerkte Omka, was Jonas machte, und sprang auf, um ihm die Wolle wegzunehmen und wieder aufzuwickeln. Wenigstens hatte er das Gestrickte nicht aufgetrennt. Inzwischen war Velinka dabei, den Tisch zu decken, und plötzlich wusste Omka nicht mehr, was sie überhaupt hier wollte, fühlte sich fehl am Platz. Worüber sollte sie mit Velinka reden? Am besten, über das Kind ihrer Tochter. Jonas stand mittlerweile am Tisch und hatte sich einen Keks von dem kleinen Glasteller genommen. Velinka stellte ihr ein mit Goldrand verziertes, bauchiges Gläschen vor die Nase und schenkte es voll mit einer klaren Flüssigkeit aus einer Flasche mit einem ausländisch aussehenden Etikett, worauf zwei Pflaumen auf pergamentfarbenem Hintergrund, der aussehen sollte, als lösten sich die Ränder ab und rollten sich ein, gezeichnet waren. Omka hatte den Eindruck, als müsse sie unbedingt etwas sagen, obwohl Velinka das im Augenblick überhaupt nicht zu erwarten schien. Sie fühlte sich, als wäre gar nicht sie hierhergefahren, und sie wusste auch nicht mehr, woher die Idee gekommen war, Velinka die Babysachen zu bringen, und dass sie jetzt hier mit ihr beim Kaffee saß und nicht wusste, was sie überhaupt damit bezwecken wollte, ärgerte sie. Das goldgeränderte Glas stand noch immer vor ihr, und sie hob es hoch, stürzte den Schnaps hinunter, sah Velinka an, die meinte: »Jetzt sind Sie wirklich erschrocken vorhin, hm? Möchten Sie noch einen?« Omka nickte, Velinka schenkte nach, und sie trank

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