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Omka: Roman (German Edition)

Omka: Roman (German Edition)

Titel: Omka: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Aschenwald
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der anderen. Ständig gab sie sich Mühe, den Mut nicht sinken zu lassen, und jeden Tag, wenn sie zum Briefkasten ging, hoffte sie, sie würde keine großen, dicken Umschläge darin finden. Wenn ein kleiner Brief mit einer Firmenadresse dabei war, hatte sie Angst, ihn aufzumachen. Sie lief damit in die Küche, legte ihn auf den Tisch und holte sich eines der kleinen Gemüsemesser, um ihn zu öffnen. Sie suchte nach den Wörtern »leider« oder »Bedauern«, und wenn sie eines davon gefunden hatte, legte sie den Brief weg und schaute in die Luft.
     
    Josef war mit seinem Schwimmbad-Projekt im Verzug. Nachdem sie Velinka nicht mehr hatten, wollte er ein neues Kindermädchen einstellen und gab eine Annonce in der Zeitung auf.
     
    Omka saß am Abend alleine im Schlafzimmer, während Josef im Badezimmer unter der Dusche stand. Sie wartete auf ihn, und als er kam und sich zu ihr ins Bett legte, umschlang sie ihn wie eine Liane, drückte ihn an sich, und als er sie ansah und ihr mit einer gewohnten Bewegung liebevoll über die Wange strich, ärgerte sie sich. Eine kleine, hässliche Stimme in ihrem Kopf fragte: »Magst du ihn überhaupt?«
    »Natürlich«, dachte sie und drückte ihn noch fester an sich und klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende.
     
    In dieser Nacht träumte sie von einem großen, kalten Fluss mit glatten Steinen am Ufer, über die sie lief. Sie lief vor etwas davon, wagte es aber nicht, sich umzusehen. Das Wasser schäumte und brodelte, alles war lebendig und voll Bewegung. Immer wieder auf den glatten, nassen Steinen ausrutschend, verlor sie andauernd das Gleichgewicht und lief, lief, lief. Sie wusste nicht mehr, ob sie wirklich aus Angst lief oder aus Lust am Laufen, aber es war doch etwas da, das hinter ihr lief und von dem sie nicht wusste, ob es sie verfolgte oder einfach auch nur lief. Das Fluss, an dessen Ufern Weiden mit langen, grünen Zweigen wuchsen, machte eine Biegung, und wo kleine Kaskaden waren, stiegen Fahnen aus Dunst hoch, aber nicht sehr hoch, die in der Luft nebelig aussahen und sich ein kleines Stück weiter wieder sanft aufs Wasser legten. Omka wagte es immer noch nicht, sich umzusehen. Sie lief und hörte hinter sich immer noch jemanden laufen. Im Gebrodel des Wassers meinte sie, je weiter sie lief und nicht stehenblieb, wieder dasselbe japsende, kleine Atmen zu hören, von dem sie nie wusste, ob es nun Einbildung war oder nicht. Da, mitten im schnellen Lauf, rutschte ihr linker Fuß an der Kante eines Steins ab, und sie fiel hin, der Länge nach, es gab ein hohles Geräusch, als ihr Brustkorb auf die Steine schlug, für einen kurzen Moment bekam sie keine Luft mehr, und in ihrem Mund war ein eiserner Geschmack. Das vielstimmige Atmen wurde lauter, und in diesem Moment war sie überzeugt davon, dass sie es wirklich hörte und sich nicht nur einbildete. Ihr Kopf lag mit dem Gesicht zum Fluss, auf den die Sonne jetzt ihre Strahlen warf, und alles machte einen schönen und friedlichen Eindruck, aber das Atmen ging einfach nicht weg, und hinter sich hörte Omka noch eines, ein einzelnes, das offenbar nicht dazugehörte, es gehörte jemand anderem. Das Geräusch von langsamen Schritten, die auf sie zukamen, wurde deutlicher. Panik ergriff sie, und sie stemmte sich mit den Armen hoch und zog die Beine nach vorne, um aufzustehen. Auf dem Stein, den sie unter sich sah, war ein kleiner, roter Fleck. Omka war noch nicht einmal richtig auf den Beinen, als sie wieder strauchelnd lief und voll Entsetzen hörte, dass das Geräusch der Schritte hinter ihr auch wieder schneller wurde. Die Weidenäste hingen ins Wasser wie grüne Schnüre, die der Wind langsam bewegte. Omka lief unter einem der Bäume durch, der sich über die Steine neigte, worin ein schwarzer Vogel mit weißem Kragen und roten Äuglein saß, den sie nicht sah. Ein klagender, schriller Ruf schallte über den Fluss, und die hohen Steinwände warfen ihn zurück. Als Omka das hörte, wurde ihre Angst zur Panik, und sie rannte, so schnell sie konnte, ohne sich umzusehen – nur weiter, nur weiter, weg von diesem schrecklichen Ort! Sie hörte das Kreischen des Vogels hinter sich, ihr Atem keuchte, die Brust tat ihr weh, der Geschmack von Eisen in ihrem Mund war immer noch da, aber etwas war anders, und ihre Schritte verlangsamten sich, bis sie stillstand und angestrengt lauschte. Es war still, außer dem Wasser hörte sie nichts mehr, keine Schritte, kein Atmen, nur den Wind und den Fluss, auch der Vogel war still. Erleichtert

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