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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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seinem Terrain, wo er seine Stärken ausspielen konnte. Wütend ballte er seine Hände zu Fäusten.
    „Na warte, dir polier‘ ich mächtig die Fresse, wenn ich dich kriege!“ Er wollte gerade entschlossenen Schrittes auf das Geräusch zugehen, da wehte ihm ein stechender Gestank nach Tierpisse entgegen. Angewidert stieß Ondragon Luft durch die Nase aus, nahm aber neben dem beißenden Uringeruch noch etwas Anderes wahr.
    Etwas undefinierbar Wildes.
    Der Geruch wurde stärker, beinahe unerträglich.
    Vielleicht ist es ein Bär, dachte er halbwegs alarmiert und sein Zorn, den er eben noch verspürt hatte, verebbte.
    Auf jeden Fall muss ich hier weg, bevor das Vieh meinen Weg kreuzt. Wahrscheinlich befinde ich mich gerade auf seiner Lieblingsroute! Ondragon fackelte nicht lange. Er ignorierte das verstärkte Prickeln in seinem Nacken, wandte sich wieder dem Netz zu und bahnte sich mit seinen Armen einen Weg durch das Gestrüpp links davon. Hätte er eine Machete gehabt, wäre das ein leichtes Unterfangen gewesen. So aber kämpfte er mit aller Kraft gegen die elastischen Zweige an, die nach seinen Augen schlugen und ihm das Gesicht zerkratzen. Es war vollkommen absurd, und während er sich mühsam voran arbeitete, um hinter dem Netz wieder auf den Pfad zu gelangen, sah er sich selbst, wie er im Gebüsch um sich schlug wie eine außer Kontrolle geratene Motorsense. Er verfing sich mit seinem Hoodie an einem Ast und zerrte daran. Das Prickeln breitete sich vom Nacken über seinen ganzen Rücken aus, aber er wagte es nicht, sich umzudrehen. Endlich bekam er den Hoodie frei und setzte sein fieberhaftes Gewühle fort. Nur noch zwei Armlängen zähes Buschwerk trennten ihn vom Pfad. Ondragon spürte seine Arme ermüden, riss aber weiter an den Zweigen. Das Joggen hatte ihn mehr Kraft gekostet, als er gedacht hatte. Blätter flogen und Äste knackten. Es war verrückt. Er benahm sich wie ein Depp! Hoffentlich war das hinter ihm wirklich ein Bär und nicht doch jemand von der Lodge, der ihn nachher vor der versammelten Mannschaft lächerlich machte.
    Ondragon brach auf den Pfad hinaus wie ein verschrecktes Reh. Blätter im Haar und Striemen im Gesicht. In seinem Hirn brannte ein einziger Gedanke. Er musste sich vergewissern! Mensch oder Tier?
    Er wirbelte herum und warf einen wilden Blick hinter sich. Irgendetwas Großes rumorte in dem Gebüsch, aus dem er gerade hervorgekommen war, und brachte das geflochtene Bindfadennetz zum Vibrieren, erweckte den toten Vogel darin grotesk zum Leben. Ondragon blinzelte.
    Blitzte da graues Fell durch die Blätter? Zottige Haare? Eine Tatze?
    Er blinzelte erneut … dann rannte er los. Kümmerte sich nicht um seine müden Glieder und flog mit beinahe übermenschlichen Schritten vorwärts den Pfad entlang. Der abartige Geruch begleitete ihn. Eine Meile, zwei Meilen.
    Ondragon preschte durch den Wald wie ein panischer Gaul, spürte seine Lunge protestieren und die Muskeln in seinen Beinen brennen, als fließe Säure statt Blut durch seine Adern. Gehetzt sah er sich immer wieder um, doch da war nichts.
    Vor ihm wurde der Pfad allmählich breiter, und das Unterholz wich wadenhohen Heidelbeersträuchern und Gras, das in saftigen Büscheln auf dem lichtbesprenkelten Waldboden wuchs. Der See zu seiner Linken glänzte idyllisch im Sonnenschein, als sei nichts gewesen. Eine Handvoll Wildenten schnatterte einträchtig vor sich hin. Alles schien sommerlich ruhig.
    In Rekordtempo und mit kreischender Lunge erreichte Ondragon schließlich das Gelände der Lodge. Am Rand der getrimmten Wiese blieb er stehen, stützte sich auf seine Oberschenkel und rang nach Luft. Jogginghose und T-Shirt klebten ihm schweißnass am Körper. Seine schönen, weißen Schuhe waren völlig verdreckt.
    Was zur Hölle … war das gewesen?
    Selbst seine Gedanken kamen abgehackt wie sein Atem.
    Er hatte die Nerven verloren. Eine Reaktion, die er bisher für unmöglich gehalten hatte. Dabei war er schon in weitaus lebensgefährlichere Situationen geraten: Ins Sperrfeuer der Mafia zum Beispiel, oder ins Fadenkreuz eines indischen Profikillers. Aber das war alles in der Stadt gewesen, auf seinem Terrain. Nicht draußen im Wald! Ondragon spuckte aus. Wenigstens gab es keine Zeugen. Was würden seine Klienten dazu sagen, wenn sie wüssten, dass er vor einem flohverseuchten, nordamerikanischen Schwarzbären - den er noch nicht einmal richtig gesehen hatte - davonlief wie Forrest Gump.
    Scheißwald!
    Das Schwindelgefühl legte sich

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