Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
die Welt vom deutschen Geheimdienst hält?“
„Hören Sie“, würgte der BND-Agent diesen unerquicklichen Disput ab, „sind Sie jetzt mit von der Partie oder nicht?“
„Natürlich! Ohne mich geht es ja schließlich nicht.“
„Gut, dann finden Sie sich übermorgen um zwölf Uhr am LAX ein. Dort liegt ein Flugticket für Sie und Ihre Assistentin bereit. Schalter zwei von American Airlines. Ist das genug Zeit für Sie, um sich vorzubereiten?“
Der abfällige Ton des BND-Schnösels ging Ondragon langsam mächtig auf die Nerven. Schade, dass er ihm in Brasilien nicht persönlich begegnen würde. Er hatte große Lust, ihm ordentlich eine zu verpassen, so als kleinen Gruß vom Handlanger. „Ein Tag ist mehr als ausreichend!“, entgegnete er kühl.
„Schön. Alles Weitere besprechen Sie mit dem Kontaktmann. Viel Erfolg!“
„Sie mich auch, kusogaki !“ Ondragon sah, wie Charlize erschrocken aufblickte. Er ließ das Handy sinken. „Schade, schon aufgelegt.“
Seine Assistentin kicherte und wandte sie sich wieder dem Computer zu. „Und, muss ich meinen Koffer packen?“, fragte sie, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden.
„Du und Koffer?“, witzelte Ondragon. Charlize war bekannt dafür, dass sie ganz frauenuntypisch stets nur mit leichtem Gepäck reiste.
Sie warf den Kugelschreiber hin und sah ihn vorwurfsvoll an. „Was ist? Erzählst du mir jetzt, worum es geht?“
Ondragon ließ sich auf der Tischkante nieder und begann das wiederzugeben, was er im Bulletin Board über den Auftrag gelesen hatte. „Du hattest recht. Es geht tatsächlich um die Air-France-Maschine. Indirekt zumindest, denn dort, wo die Wrackteile vom Airbus auf dem Grund des Meeres geortet wurden, fand man auch Teile eines anderen, lange verschollenes Flugzeug. Eine deutsche Maschine aus dem Zweiten Weltkrieg, die bei einem Fluchtversuch hochrangiger Nazi-Offiziere zu Kriegsende offenbar an derselben Stelle abgestürzt ist. Das Flugzeug selbst ist für den deutschen Geheimdienst nicht weiter interessant. Aber im weitgehend unbeschädigten Cockpit der Maschine ist eine wasserdichte Kiste gefunden worden. Und um den Inhalt dieser Kiste geht es. Wir sollen das Ding beschaffen.“
„Und was ist da drin?“
„Nicht viel, aber es scheint wichtig für die Deutschen zu sein, wenn sie unter einem derartigen Zeitdruck stehen. In der Kiste soll sich eine Medaille aus Gold befinden und ein Logbuch.“
„Ein Logbuch?“, fragte Charlize entgeistert. „Ein BUCH?! Und den Auftrag hast du angenommen? Wohl eine Konfrontationstherapie, was?“ Sie kicherte.
„Wir sollen denen zum Glück die ganze Kiste bringen, da muss ich ja nicht reingucken, oder?“ Ondragon warf Charlize einen gereizten Blick zu. Sie verstand ihn und hörte auf zu lachen.
„Momentan befindet sich die Kiste in einem provisorischen, aber gut gesicherten Labor in Fortaleza“, setzte er seine Ausführungen fort. „Dort werden die sensiblen Fundstücke der Air-France-Maschine untersucht. Dazu gehören auch die Leichen, oder besser gesagt, was davon noch übrig ist. Die brasilianischen Behörden wollen die Kiste untersuchen, bevor sie sie an Deutschland ausliefern. Der BND stuft den Inhalt allerdings als so brisant ein, dass er die Kiste unverzüglich in seinem Besitz wissen will. Dabei geht es hauptsächlich um das, was in dem Logbuch steht. Das darf auf keinen Fall an die Öffentlichkeit geraten.“
„Aha. Und was wird meine Aufgabe bei dieser Operation sein?“
„Du wirst in das Labor eingeschleust!“
Ein breites Lächeln erschien auf Charlizes bezauberndem Gesicht.
Gut, dachte Ondragon, also war sie einverstanden.
4. Kapitel
19. Mai 2011 Fortaleza, Brasilien 22.11 Uhr
Draußen vor dem Flughafengebäude in Fortaleza schlug ihnen schwüle, tropische Luft entgegen.
„Ah, cheiro da patria – der Duft der Heimat!“, säuselte Charlize und sog genussvoll Luft durch die Nase ein.
Ondragon schmunzelte. Seine Assistentin war in Brasilien aufgewachsen, genauer gesagt in São Paulo, wo es die größte japanische Gemeinde außerhalb Japans gab. Ihr Vater war 1939 mit seinen Eltern von Tokio nach Brasilien gekommen und hatte später eine Einheimische geheiratet. Charlize war also ein Halbblut, eine nipo-brasileira , und ihr richtiger Name lautete eigentlich Sayo-Li. „Charlize“ war jedoch einfacher auszusprechen. Sie hatte noch einen älteren Bruder, Keisuke „Kay“ Tanaka.
Es war Ondragon jedoch am liebsten, wenn seine Assistentin Japanisch sprach,
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