Ondragon: Nullpunkt: Mystery-Thriller (German Edition)
denn seine Portugiesisch-Kenntnisse ließen sehr zu wünschen übrig. Immerhin verstand er ein paar Brocken.
Sie winkten ein Taxi herbei und ließen sich in den Stadtteil Mucuripe fahren, wo sich ihre Hotels befanden. Während die Lichter der nächtlichen Stadt am Seitenfenster vorbeizogen, dachte Ondragon darüber nach, unter welchen Umständen er Charlize kennengelernt hatte und wie es dazu gekommen war, dass diese bezaubernde und talentierte junge Frau seitdem für ihn arbeitete. Schon damals hatte Charlize sich als wahres Verkleidungstalent entpuppt, und es war ihr doch tatsächlich gelungen, ihn reinzulegen. Ondragon schmunzelte bei dieser Erinnerung. Danach hatte er gar nicht anders gekonnt, als sie zu überreden, bei ihm als Assistentin einzusteigen.
Sie erreichten das Gran Marquise Hotel an der Avenida Beira-Mar und Ondragon stieg aus. Er holte seine Reisetasche aus dem Kofferraum, gab Charlize mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er sie später anrufen würde, und schlug die Tür zu. Seine Assistentin würde unter einer falschen brasilianischen Identität in einem anderen Hotel absteigen. Für ihre Tarnung war es notwendig, dass sie etwas schlichter residierte. Außerdem war es immer gut, zwei Operationsbasen zu haben.
Durch den zur Straße hin gelegenen Haupteingang betrat Ondragon das Hotel – einen mehrstöckigen Block mit terrakottafarbener Fliesenfassade und verspiegelten Fenstern, die in den Sechzigern vielleicht mal modern gewesen waren. In der weitläufigen Lobby mit einer Wand aus monströsen Natursteinmosaiken und mehreren Sitzgruppen klimperte verhalten ein Piano. Ein paar Gäste hielten sich an der abseits gelegenen Bar auf und schienen in caipirinhafröhlicher Stimmung zu sein. Ondragon nahm sie unter die Lupe und sortierte sie in die Kategorie „betuchte Touristen auf der Suche nach billigem Vergnügen“ ein. Nichts, was ihm in die Quere kommen könnte.
Nachdem er an der Rezeption eingecheckt und sämtliche Überwachungskameras auf dem Weg zu seinem Zimmer im vierten Stock gezählt hatte, war er froh, endlich die Tür hinter sich schließen und allein sein zu können. Er stellte die Tasche aufs Bett, holte alle Dinge heraus, die ihn nicht wie einen gewöhnlichen Hotelgast aussehen ließen, und verfrachtete sie in den Zimmersafe. Darunter war ein zweiter Satz Reisedokumente von Charlize (die wiederum seinen hatte – nur für alle Fälle), ein kleines aber lichtstarkes Fernglas, ein Paar dünne Lederhandschuhe, Pfefferspray, welches auch für Profis sehr nützlich sein konnte, sein Notizblock, ein handlicher Alukoffer mit Zahlenschloss, der seine kleine Spionageausrüstung enthielt, und ein verborgenes Klappmesser mit zwölf Zentimeter Klingenlänge. Natürlich nur zur Selbstverteidigung, denn Schusswaffen bekam man ja leider nicht durch den Zoll. Wie bei vielen Einsätzen in Ländern, in denen er kein geheimes Depot besaß, war Ondragon darauf angewiesen, die schweren Geschütze von seinen Kontaktleuten zu erhalten oder sie sich auf dem Schwarzmarkt zu beschaffen, was allerdings erheblich mehr Vorarbeit erforderte. Er hoffte, dass der BND ihm wenigstens eine Handfeuerwaffe zur Verfügung stellen würde, wenn er schon kein weiteres Personal bekam. Zur Not taten es aber auch das Pfefferspray und das Messer. In seiner Zeit als Mailman bei DeForce Deliveries war er in Krav Maga ausgebildet worden und wusste wie man Klingen aller Art effektiv einsetzte. Und effektiv bedeutete in diesem Falle tödlich.
Er verschloss den Safe mit einer vierstelligen Kombination und kramte seine Kleidung aus der Tasche, die er am nächsten Tag brauchen würde. Anschließend ging er unter die Dusche. Nach der kurzen Erfrischung trocknete er sich ab, stellte die Klimaanlage auf die zweite Stufe und nahm sein Telefon zur Hand. Charlize meldete sich nach dem zweiten Klingeln.
„Hast du schon eingecheckt?“, fragte er.
„ Hai. Bin gerade auf dem Zimmer angekommen. Sieht okay aus. Der Blick aus dem Fenster ist perfekt. Man kann den Hafen sehen. Und wenn ich in deine Richtung schaue, das Dach deines Hotels.“
„Gut. Dann warten wir ab, was morgen bei dem Treffen herauskommt.“
„In Ordnung, schlaf schön, Chef.“
„Du auch!“ Ondragon legte auf, ging im Internet auf die Seite mit dem verborgenen Bulletin Board und hinterließ dort eine Nachricht für Dobermann12. Dann schaltete er sein Handy aus und legte sich auf die kühlen Laken.
Am nächsten Morgen saß er um 7.30 Uhr ausgeruht beim
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