Oneway to Montréal - Roman (German Edition)
hohen Verkehrsaufkommens fest vor, im Sommer hauptsächlich das Fahrrad und im Winter die Métro auf dem Weg zur Arbeit zu nutzen.
Aufgrund der eisigen Temperaturen im Winter war in Montréal in der Umgebung der Métro eine unterirdische Stadt, die Ville Souterraine, entstanden. So kann man, ohne in die klirrende Kälte zu müssen, einem Einkaufsbummel oder anderen Vergnügungen nachgehen.
Das Quartier Latin, in der Nähe von Sammys Appartementhaus ist ein typisch französisches Caféviertel, auf welches Sammy sich schon sehr gefreut hatte. Sie liebte es durch die Altstadt zu schlendern, vorbei an den kleinen Straßencafés.
Auch der Aussichtspunkt auf dem Mont Royal, dem Mittelpunkt der Inselstadt, hatte es ihr sehr angetan. Von dort aus konnte man nicht nur die gesamte Stadt überblicken, sondern auch einen Eindruck vom Umland bekommen.
„Die Natur gleich neben der Haustür, wie ich es in Kingston hatte, wird mir fehlen. Es ist schon eine gewaltige Umstellung, hier mitten in die Stadt zu ziehen. Aber von dort oben kann ich wenigstens das Grün rundherum sehen.“, jammerte Sammy ein bisschen, während sie die aufgeschäumte Milch in ihrem Cappuccino unterrührte.
Jeannie seufzte:
„Also, weißt du, ich finde diese Stadt ja grandios und du wirst dich als Französin ja sowieso leicht tun.
Aber ich kann es mir einfach noch nicht vorstellen! Unsere gemeinsame Zeit soll nun wirklich zu Ende sein?
Was wird aus dem Häuschen in Kingston? Muss ich eigentlich ausziehen? Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen, weil es mir immer so unwahrscheinlich schien, dass du wirklich gehst!“
Sammy schwieg und trank erst einmal einen Schluck.
Die Tränen saßen so locker, dass sie fürchtete, keine Gewalt mehr über ihre Stimme zu haben. Nach einiger Zeit sagte sie leise:
„Bleib‘ in dem Haus, Jeannie! Ich brauche nur die Miete, die ich hier zahlen muss, von dir! Aber du hast ja dann das ganze Haus, wenn Dan auch weg ist. Du kannst dir ja einen Untermieter nehmen, wenn es dir zu teuer ist. Mir wäre auch der Gedanke furchtbar, dass keiner von uns mehr da ist! Es ist doch eine Anlaufstelle, wo wir uns wieder treffen können.“
Jeannie nickte.
Dann fingen doch beide an, leise vor sich hin zu weinen. Als sie merkten, dass sie von den Nachbartischen befremdet angesehen wurden, kam der gewohnte Humor doch wieder durch und sie begannen, noch mit Tränen in den Augen, zu kichern.
Dann fiel Jeannie pl ötzlich etwas ganz anderes ein:
„Weißt du eigentlich, dass du nur zehn Minuten von Larry entfernt wohnst? Wir sind vorhin an seinem kleinen Häuschen vorbeigekommen.“
„Ja, stimmt. Das ist wirklich ein Lichtblick für mich!“
„Am 1. August fängt er als stellvertretender Staatsanwalt an! Ist doch Wahnsinn, wie schnell alles geht, wenn man so klasse Noten hat.“
„Na ja, er hat ja auch dafür arbeiten müssen. Die guten Noten haben ja nicht ‚Larry, wo bist du‘ gebrüllt“, sagte Sammy mit tadelndem Unterton.
„Ja, da hast du sicher recht, aber er macht immer den Eindruck, als ginge ihm alles sehr leicht von der Hand.“
Die Freundinnen schwiegen wieder, schwelgten in Erinnerungen.
„Wirst du mich am Wochenende mal ab und zu besuchen, Jeannie?“
„Natürlich, ich weiß ja gar nicht, was ich demnächst ohne dich an den Wochenenden machen soll!“
Das war nun so weit hergeholt und so pathetisch vorgebracht, dass beide Mädchen wieder zu prusten begannen.
Nachdem Jeannie jeden Abend ausging, war an den Wochenenden sowieso oft kein Programm möglich. Denn diese waren mit Ausschlafen meist gänzlich vertan.
Sie zahlten, weil sie schon genug aufgefallen waren und fuhren langsam nach Kingston zurück.
Sammy packte ihre Sachen so nach und nach und stapelte sie im Kellergang.
Dann kamen die Tage, die alle Zukunftsträume Sammys unsanft beendeten.
Es war der erste Freitag im Juli, zwei Wochen vor ihrem Umzug nach Montréal. Sammy fühlte sich nicht gut, der Magen tat ihr weh und sie verspürte ein leichtes Schwindelgefühl.
Dan wollte mit Jeannie und ihrer Familie nach Québec zu einer Theaterpremiere fahren.
Sie hatten vor, das ganze Wochenende dort zu verbringen, wollten aber Sammy in diesem Zustand auf keinen Fall alleine lassen.
Sammy redete beiden tapfer ihre unguten Gefühle aus:
„Ihr könnt ruhig fahren, so schlimm ist es ja nicht! Wenn es gar nicht mehr geht, kann ich auch einen Arzt anrufen.
Ihr könnt ja doch nicht mehr tun, als mir beim Schlechtfühlen zusehen. Da könnt ihr
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