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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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reine kam.
    »Ich weiß nicht«, sagte Miß Ophelia zu St. Clare, »wie ich ohne Prügel mit dem Kind fertig werden soll.«
    »Na, dann prügle sie doch nach Herzenslust; ich gebe dir zu allem unumschränkte Vollmacht.«
    »Kinder brauchen Prügel«, sagte Miß Ophelia, »ich habe nie gehört, daß man ohne Prügel auskommt.«
    »Aber natürlich«, erwiderte St. Clare. »Tu ganz, was du für richtig hältst. Ich gebe nur eins zu bedenken: Ich habe gesehen, wie man dieses Kind mit der Feuerzange schlug, mit der Kohlenschaufel, mit allem, was zur Hand war. Bedenkt man nun, daß sie an diesen Stil gewöhnt ist, meine ich, deine Prügel müßten energisch sein, um ihr Eindruck zu machen.«
    »Was soll man denn mit ihr machen?«
    »Damit schneidest du eine sehr ernste Frage an«, sagte St. Clare; »ich wollte, du beantwortest sie selber. Was macht man mit einem menschlichen Wesen, das nur mit der Peitsche gelenkt wird, die nun auf einmal wegfällt? Das ist hier bei uns ein häufiger Zustand!«
    »Ich sehe keinen Ausweg; ich habe nie solch ein Kind erlebt.«
    »Solche Kinder haben wir häufig und auch solche Erwachsene. Wie soll man sie regieren?«
    »Ich kann nur sagen, ich kann es nicht entscheiden.«
    »Ich genausowenig«, sagte St. Clare. »Die entsetzlichen Grausamkeiten und Ausschreitungen, die zuweilen ihren Weg in die Presse nehmen, wo rühren sie her? In vielen Fällen ist es ein allmählicher Verhärtungsprozeß auf beiden Seiten, der Besitzer wird immer grausamer und der Sklave immer verstockter. Auspeitschen und Beschimpfen wirkt wie Opium; man muß die Dosis vergrößern, und die Empfindlichkeit wird geringer. Ich erkannte das sehr früh, als ich die Sklaven übernahm; und ich entschloß mich, niemals damit anzufangen, weil ich nicht wußte, wo ich aufhören würde – und ich beschloß, wenigstens meine eigene Moral zu beschützen. Die Folge ist, daß meine Leute sich wie verwöhnte Kinder gebärden; aber ich halte das für besser, als daß beide Teile sich in der Roheit steigern. Du hast viel von unserer Verantwortung in der Erziehung gesprochen, Kusine. Da wollte ich gern, du versuchtest es mit einem Kind, das ein Beispiel ist für Tausende!«
    »Euer System hat diese Kinder auf dem Gewissen«, sagte Miß Ophelia.
    »Ich weiß; aber nun sind sie da, sie existieren – was soll man mit ihnen anfangen?«
    »Ach, ich kann nicht sagen, daß ich dir dankbar bin für den Versuch. Aber da es eine Pflicht zu sein scheint, werde ich durchhalten und mein Bestes geben.« Und daraufhin arbeitete Miß Ophelia wirklich mit liebenswertem Eifer und großer Energie an ihrem neuen Zögling. Sie richtete regelmäßigen Unterricht ein, wies ihr gewisse Dienste zu und lehrte sie lesen und nähen.
    In der ersten Kunst war das Kind sehr aufgeweckt. Sie lernte die Buchstaben wie durch Zauberei und war gar bald imstande, einen einfachen Text zu lesen. Aber das Nähen war schwierig. Die kleine Person war so flink wie eine Katze und so zappelig wie ein Äffchen, das Stillsitzen beim Nähen war ihr furchtbar; also zerbrach sie die Nadeln, warf sie heimlich aus dem Fenster oder steckte sie in die Mauerritze. Sie verhedderte, zerriß und beschmutzte ihren Faden oder warf eine ganze Garnrolle fort. Ihre Bewegungen waren so flink wie die eines geübten Taschenspielers, und ihre Beherrschung der Gesichtszüge war genauso vollkommen. Miß Ophelia hatte zwar das Gefühl, daß so viele Unfälle hintereinander unmöglich zufällig geschehen konnten, aber sie vermochte die Übeltäterin nicht zu überführen, es sei denn, sie paßte ihr auf die Finger auf, dann hatte sie aber zu nichts anderem Zeit.
    Topsy wurde im Haushalt bald wie ein bunter Hund bekannt. Ihr Talent für jede Art von Komik, für Grimassen, für Nachahmung – ihre Begabung für Tanzen und Springen, für Klettern, Singen und Pfeifen – jeden Ton, den sie auffing, konnte sie nachahmen – schien unerschöpflich zu sein. In ihrer Freizeit hingen sämtliche Kinder des großen Hauses wie die Kletten an ihr und rissen vor Staunen und Bewunderung Mund und Nase auf, Miß Eva nicht ausgenommen, die von Topsys Teufelskünsten ganz bezaubert zu sein schien, wie manchmal eine Taube von einer schillernden Schlange hingerissen ist.
    Miß Ophelia wurde unruhig, daß Eva Topsys Gesellschaft zu viel aufsuchte, und beschwor St. Clare, es zu verbieten.
    »Laß das Kind in Ruhe«, sagte St. Clare. »Topsy tut ihr gut.«
    »Aber ein so haltloses Kind – bist du nicht bange, sie bringt ihr nur

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