Onkel Toms Hütte
und irgendwie schloß St. Clare dann Frieden für sie. Sie bekam manches Trinkgeld von ihm, das sie in Nüssen und Bonbons anlegte und in sorgloser Freigebigkeit an alle Kinder des Hauses verteilte; denn, um ihr gerecht zu werden: Topsy war gutherzig und freimütig und boshaft nur in der Verteidigung.
20. Kapitel
Kentucky
Es wird unsern Lesern gewiß recht sein, wenn wir jetzt für eine kurze Weile zu Onkel Toms Hütte, auf der Farm in Kentucky, zurückkehren und nach allen denen Ausschau halten, die er zurücklassen mußte.
Es war ein später Sommernachmittag, Fenster und Türen des großen Wohnzimmers standen weit offen, um jedem Lüftchen Einlaß zu gewähren, das nur die geringste Lust zum eintreten verspürte. Mr. Shelby saß in der großen Diele, auf die das Zimmer mündete und die sich der Länge nach, auf beiden Seiten von einem Balkon begrenzt, durch das ganze Haus erstreckte. Behaglich in einem Stuhl zurückgelehnt, die Füße auf einem zweiten ausgestreckt, genoß er seine Mittagszigarre. Mrs. Shelby saß mit einer feinen Handarbeit in der Tür; sie hatte anscheinend etwas auf dem Herzen und schien nur auf eine passende Gelegenheit zu warten, um davon anzufangen.
»Weißt du schon«, fragte sie, »daß Chloe einen Brief von Tom bekam?«
»Nein, wirklich? Dann muß Tom dort ja gute Freunde haben. Wie geht es denn dem alten Knaben?«
»Anscheinend hat ihn eine vornehme Familie gekauft«, sagte Mrs. Shelby; »er wird gut behandelt und hat nicht viel zu tun.«
»Sehr schön! Das freut mich ganz besonders«, erwiderte Mr. Shelby, und es kam ihm von Herzen. »Ich denke, Tom wird sich mit seinem Aufenthalt im Süden noch ganz aussöhnen und dann kaum noch Lust haben zurückzukehren.«
»Im Gegenteil, er erkundigt sich ängstlich, wann wohl das Geld zu seinem Rückkauf flüssig gemacht wird.«
»Das möchte ich auch wissen«, sagte Mr. Shelby. »Wenn die Geschäfte einmal bergab gehen, scheint es kein Halten zu geben; als ob man in einem Sumpf von einem Stein zum anderen springt; man borgt bei einem, um den andern zu bezahlen, und borgt bei dem anderen, um den ersten zu bezahlen – dabei werden diese Wechsel fällig, bevor man noch Zeit hat, eine Zigarre zu rauchen und den Rücken zu kehren – Schuldbriefe und Schuldverschreibungen –, graue Haare kann man dabei kriegen!«
»Mein Lieber, man müßte doch versuchen, die Dinge zu glätten. Wie wär's, wenn wir alle Pferde verkauften und eines der Güter und dann die Schulden ins reine brächten?«
»Ach, lächerlich, Emily! Du bist die beste Frau in ganz Kentucky, aber du willst nicht einsehen, daß du nichts von Geschäften verstehst. Frauen können das nicht und lernen das auch nie.«
»Aber könntest du mir nicht wenigstens«, sagte Mrs. Shelby, »eine Liste von allen Schulden und Außenständen aufstellen, dann könnte ich doch versuchen, ob wir nicht etwas einsparen könnten.«
»Ach, Unsinn! Plag mich nicht, Emily – ich weiß es auch gar nicht so genau. Ich habe nur ungefähr eine Vorstellung, wie es um die Dinge steht. Man kann sie nicht glätten und verzieren, wie Chloe das bei ihren Pasteten macht. Ich sage dir ja, du verstehst nichts von Geschäften.«
Und Mr. Shelby wußte seinen Worten nicht anders Nachdruck zu verschaffen als mit erhobener Stimme, eine sehr praktische und überzeugende Methode für einen Mann, um mit seiner Frau geschäftliche Dinge zu besprechen.
Mrs. Shelby seufzte verstohlen und gab das Gespräch auf. Tatsächlich hatte sie trotz aller Weiblichkeit einen klaren, energischen und praktischen Verstand und war ihrem Mann an Charakterstärke in jeder Weise überlegen; ihr Vorschlag, ihr Einblick in die Geschäfte zu gewähren, um danach handeln zu können, war demnach gar nicht so abwegig, wie Mr. Shelby meinte. Ihr Herz hing an der Erfüllung des Versprechens, das sie Tom und Tante Chloe gegeben hatte, und sie seufzte, daß immer mehr Hindernisse sich auftürmten.
»Meinst du nicht, daß wir auf irgendeine Weise das Geld doch aufbringen könnten? Die arme Tante Chloe! Ihr ganzes Herz hängt daran.«
»Das tut mir leid. Ich war sehr voreilig mit meinem Versprechen. Ich weiß wirklich nicht, ob es nicht das beste wäre, Chloe vor die vollendeten Tatsachen zu stellen, dann weiß sie Bescheid. Tom wird sich in ein, zwei Jahren ein anderes Weib nehmen, und sie sucht sich dann am besten auch jemand anders.«
»Shelby, ich habe meine Leute gelehrt, daß ihre Ehen ebenso heilig sind wie die unseren. Niemals könnte ich
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