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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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er niemand mehr: da kann keiner gut sein.«
    »Aber das kann ich nicht ändern. Ich kann ihm seine Mutter nicht verschaffen, und ich selbst kann ihn nicht liebhaben.«
    »Und warum nicht?«
    »Dodo liebhaben? Aber Eva, das wirst du nicht verlangen. Ich kann ihn gern haben, aber seine Diener kann man nicht liebhaben.«
    »Ich tue es.«
    »Wie komisch.«
    »Sagt nicht die Bibel, wir sollen alle liebhaben?«
    »Ach, die Bibel! Sicher sagt sie viel dergleichen, aber niemand denkt daran, das zu befolgen – du weißt doch, Eva, niemand!«
    Eva sagte nichts; ihre Augen blickten ihn nachdenklich an.
    »Auf jeden Fall«, sagte sie, »lieber Vetter, hab du den armen Dodo lieb, und sei gut zu ihm, meinetwegen.«
    »Deinetwegen, Kusinchen, tu ich alles; denn ich finde, du bist das lieblichste Geschöpf, das ich kenne.« Henrique hatte mit solchem Ernst gesprochen, daß sein hübsches Gesicht erglühte. Eva nahm es in aller Unschuld hin, ohne daß sich ihre Züge veränderten. Sie sagte nur: »Da bin ich sehr froh, Henrique. Hoffentlich vergißt du es nicht.«
    Der Gongschlag beendete ihre Unterhaltung.

23. Kapitel
    Erste Schatten
    Zwei Tage später nahmen Alfred St. Clare und Augustin Abschied voneinander. Eva, die sich durch die Gesellschaft ihres jungen Vetters zu Anstrengungen hatte hinreißen lassen, die weit über ihre Kräfte gingen, siechte jetzt zusehends dahin. St. Clare erklärte sich nun bereit, ärztlichen Rat einzuholen; er hatte sich immer davor gescheut, weil er damit eine unwillkommene Wahrheit eingestand. Aber einige Tage ging es Eva so schlecht, daß sie im Haus bleiben und der Doktor gerufen werden mußte.
    Marie St. Clare hatte von den langsam schwindenden Kräften ihres Kindes, als dessen Opfer sie sich fühlte, keinerlei Notiz genommen.
    Miß Ophelia hatte verschiedentlich versucht, ihre mütterliche Besorgnis zu erregen, aber ohne Erfolg.
    »Ich wüßte nicht, was ihr fehlen sollte«, hatte sie erwidert, »sie läuft umher und spielt.«
    »Aber sie hustet, und ihre Kräfte lassen nach, sie ist immer außer Atem.«
    »Pah! Das bin ich jahrelang gewesen, das ist eine nervöse Angelegenheit!«
    »Aber sie ist jede Nacht schweißgebadet!«
    »Nun, das bin ich seit zehn Jahren; häufig sind meine Sachen zum Auswringen naß; dann ist an meinem Nachthemd kein trockener Faden mehr, und die Laken sind in einem Zustand, daß Mammy sie zum Trocknen aufhängen muß. Eva kann gar nicht so schwitzen!«
    Daraufhin hatte Miß Ophelia den Mund gehalten. Aber als nun Eva sichtbar darniederlag, änderte Marie ihre Taktik.
    Sie wüßte es ja, sagte sie, sie hätte es immer gefühlt, daß sie die unglücklichste aller Mütter sei. Hier läge sie mit ihrer zerrütteten Gesundheit und müßte mit eigenen Augen mitansehen, wie ihr geliebtes Kind ins Grab sinke.
    »Es ist ja wahr«, sagte St. Clare, »Eva ist sehr zart – das wußte ich immer; sie ist so rasch gewachsen und hat damit ihre Kräfte erschöpft, ihr Zustand ist kritisch. Aber jetzt liegt sie darnieder wegen der großen Hitze, weil der Besuch ihres Vetters sie aufregte und sie sich überanstrengte. Der Arzt sagte, es sei durchaus Grund zur Hoffnung.«
    »Nun freilich, wenn du es von der günstigsten Seite aus betrachtest – bitte, tue es; es ist nur gut, daß manche Leute nicht diese empfindlichen Nerven haben. Ich wollte, ich könnte es so leicht nehmen wie ihr anderen!«
    Diese ›anderen‹ hatten allen Grund, in dieses Gebet miteinzustimmen, denn Marie nahm ihr neues Unglück nur zum Anlaß, ihre Umwelt aufs neue zu quälen. Jedes gesprochene Wort, alles, was getan oder unterlassen wurde, war nur ein neuer Beweis für die Hartherzigkeit und Gefühllosigkeit ihrer Umgebung gegenüber ihren eigenen Schmerzen. Als die kleine Eva diese Reden vernahm, weinte sie sich vor Mitleid mit ihrer armen Mama fast die Augen aus, daß sie ihr so viel Kummer bereitete.
    Nach einigen Wochen besserten sich die drohenden Anzeichen, und es trat eine der verräterischen Pausen ein, mit welchen die heimtückische Krankheit das ängstliche Herz, zuweilen schon am Rande des Grabes, zu betrügen pflegt. Man hörte Evas Schritte wieder im Garten und auf den Balkonen; sie spielte und lachte wieder, und ihr Vater, der wie verwandelt war, erklärte: »Bald wird sie wieder hergestellt sein.« Nur Miß Ophelia und der Arzt ließen sich nicht täuschen. Und noch ein Herz wußte um die Wahrheit, das war Evas eigenes Herz. In ihr ruhte die prophetische Gewißheit, daß der Himmel sich öffnen

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