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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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die eisige Kälte des Todes. Die schweren Wimpern lagen sanft auf der reinen Wange; das Haupt war, wie schlafend, ein wenig zur Seite geneigt; über jeder Linie des Antlitzes aber lag der hohe, himmlische Ausdruck, in dem sich Ruhe und Verzückung mischten. Es war nicht der irdische oder zeitliche Schlaf, sondern die lange, heilige Ruhe, ›die er gibt denen, die er liebt‹.
    Kein Tod ist wie der deine, kleine Eva! Bei dir hat er weder Düsternis noch Schatten; du bist so hell vergangen wie der Morgenstern, wenn er im hellen Glanz des Morgens verblaßt.
    Das waren St. Clares Gedanken, als er mit verschränkten Armen vor der Toten stand und sie betrachtete. Aber wer will sagen, was er dachte? Denn seit der Stunde, als Stimmen in der Totenkammer die Worte gesprochen: »Sie ist hinüber«, war ihm alles im trüben Nebel, in der Düsternis des Schmerzes untergegangen. Er hatte wohl Stimmen um sich gehört, hatte Fragen vernommen und beantwortet; sie hatten ihn nach der Beerdigung gefragt, wo man sie zur letzten Ruhe betten sollte, und er hatte ungeduldig geantwortet, ihm sei es gleich.
    Adolf und Rosa hatten das Zimmer ausgeschmückt; flatterhaft, eitel und kindisch, wie sie im allgemeinen waren, zeigten sie jetzt ein warmes Herz und Gefühl; und während Miß Ophelia über den Einzelheiten der sauberen Anordnung wachte, waren es ihre Hände, die dem ganzen die zarte, poetische Note gaben und dem Totenzimmer seinen kargen, unerbittlichen Charakter nahmen.
    Noch immer standen Blumen auf den Gesimsen, zart und duftend, mit anmutigen, hängenden Blättern. Evas kleiner, weiß gedeckter Tisch trug ihre Lieblingsvase mit einer einzigen weißen Moosrosenknospe darin. Die Anordnung der Falten, die Raffung der Vorhänge hatten Adolf und Rosa mit dem geübten Blick ihres gefälligen Auges, das ihre Rasse auszeichnet, wieder und wieder ausprobiert. Selbst jetzt noch, als St. Clare dastand und seinen Gedanken nachhing, huschte die junge Rosa leise herein. Sie trat zurück, als sie St. Clare erblickte, und blieb respektvoll stehen; aber als sie sah, daß er sie gar nicht bemerkte, kam sie heran und ordnete mit leiser Hand die Blumen um die Tote. St. Clare sah wie im Traum, daß sie einen schönen Jasminzweig in die kleinen Hände schob und die übrigen auf dem Bett verteilte.
    Wieder öffnete sich die Tür, und mit rot verweinten Augen erschien Topsy, etwas unter der Schürze verborgen haltend. Rosa machte ihr ein rasches abwehrendes Zeichen; aber sie trat einen Schritt näher.
    »Du mußt hinaus«, sagte Rosa in scharfem Flüsterton; »du hast hier nichts zu suchen!«
    »Oh, laß mich doch! Ich hab auch eine Blume – so eine schöne!« sagte Topsy und zog eine halberblühte Teerose hervor. »Laß mich nur diese eine hinlegen!«
    »Scher dich weg!« sagte Rosa kurz angebunden.
    »Laß sie hier!« sagte St. Clare plötzlich, mit dem Fuß aufstampfend. »Sie soll herkommen!«
    Rosa fuhr erschrocken zurück, und Topsy trat heran und legte der Toten ihr Angebinde zu Füßen; dann, mit einem wilden verzweifelten Aufschrei, warf sie sich neben dem Lager zu Boden und weinte und klagte laut.
    Miß Ophelia eilte ins Zimmer und versuchte, sie aufzurichten und zu beschwichtigen; aber vergeblich.
    »Oh, Fräulein Eva, wenn ich doch auch tot wäre!«
    Eine herzzerreißende Wildheit lag in diesem Schrei; St. Clares weiße, marmorgleiche Züge röteten sich, und seit Evas Tod stiegen ihm die ersten Tränen in die Augen.
    »Steh auf, Kind«, sagte Miß Ophelia mit sanfter Stimme; »weine nicht so sehr. Fräulein Eva ist im Himmel; sie ist jetzt ein Engel!«
    »Aber ich kann sie nicht sehen!« klagte Topsy. »Niemals seh' ich sie wieder!«, und sie brach in neues Schluchzen aus.
    Alle standen und schwiegen.
    »Sie hat gesagt, sie hat mich lieb«, sagte Topsy. – »Bestimmt, das hat sie! O Gott! Jetzt ist keiner mehr da – nicht einer!«
    »Das ist wohl wahr«, sagte St. Clare; »aber versuche doch«, wandte er sich an seine Kusine, »das arme Geschöpf ein wenig zu trösten.«
    »Ich wollte, ich wäre nie geboren«, sagte Topsy. – »Oh, wozu bin ich auf der Welt?«
    Miß Ophelia hob sie sanft und bestimmt auf und führte sie hinaus aus dem Zimmer, wobei ihr die Tränen herunterrannen.
    »Topsy, mein armes Kind«, sagte sie und nahm sie mit in ihr Zimmer, »gib die Hoffnung nicht auf! Ich kann dich liebhaben, wenn ich auch nicht so bin wie das kleine liebe Mädchen. Aber ich hoffe, ich habe von ihr doch ein bißchen Christenliebe gelernt. Ich

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