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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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kann dich liebhaben; und ich will dir helfen, ein gutes Christenmädchen zu werden.«
    Mehr noch als ihre Worte drückte Miß Ophelias Stimme aus, und mehr als diese redeten die ehrlichen Tränen, die über ihr Gesicht rannen. Seit dieser Stunde hatte sie über das verlorene Kind einen Einfluß gewonnen, den sie nie wieder verlor.
    »Oh, meine Eva, wieviel Gutes hast du in deinem kurzen Leben gestiftet!« dachte St. Clare, »welche Bilanz kann ich von meinen langen Jahren aufstellen?«
    Eine Weile hörte man im Zimmer leises Flüstern und Scharren der Füße von allen denen, die sich einer nach dem andern heimlich hereinstahlen, um noch einen Blick auf die Tote zu werfen; nun kam der kleine Sarg, und dann folgte das Begräbnis.
    St. Clare lebte, ging umher, bewegte sich wie einer, der alle seine Tränen vergossen.
    Maries Zimmer wurde verdunkelt, sie lag auf dem Bett, schluchzend und klagend in unbeherrschtem Schmerz, die Aufmerksamkeit des gesamten Personals in Anspruch nehmend. Ihnen ließ sie keine Zeit für Trauer – wozu auch? Dieser Schmerz, und sie war völlig überzeugt, daß niemand auf Erden jemals einen solchen Kummer erlebt hatte.
    »St. Clare hat nicht eine Träne vergossen«, sagte sie, »er hatte ihr keine Teilnahme bewiesen; es ist einfach nicht zu verstehen, wenn man bedenkt, wie hartherzig und gefühllos er war, wo er doch wissen mußte, wie sehr sie litt.«
    So sehr sind Menschen von Auge und Ohr abhängig, daß viele Dienstboten ernstlich glaubten, die Herrin sei die Hauptleidtragende, besonders als Marie in hysterische Krämpfe fiel, den Doktor holen ließ und erklärte, sie müsse sterben; das Laufen und Herumjagen, das Herrichten von Wärmeflaschen, das Wärmen heißer Tücher, das einsetzende Treiben und Hasten brachte eine willkommene Zerstreuung.
    Tom jedoch trieb es in die Nähe seines Herrn. Er folgte ihm wehmütig und traurig auf Schritt und Tritt, und wenn er ihn so blaß und still in Evas Zimmer sitzen sah, die kleine Bibel aufgeschlagen in der Hand, obwohl er weder Wort noch Buchstaben wahrnahm, so lag für Tom mehr Trauer in diesen stillen, tränenlosen Augen als in allen Klagen und Schmerzensausbrüchen Maries.
    In wenigen Tagen war der Haushalt St. Clares in die Stadt zurückgekehrt, Augustin hatte in der Rastlosigkeit seines Schmerzes nach einer neuen Umgebung verlangt, um seinen Gedanken eine andere Richtung zu geben. Also verließ man Haus und Garten und kehrte nach New Orleans zurück. St. Clare, bestrebt, die Leere seines Herzens mit der Hast und dem Getriebe der Stadt zu übertäuben, durcheilte geschäftig die Straßen; die Leute, die ihn unterwegs oder im Café trafen, erkannten seinen Verlust nur am Trauerflor seines Hutes, im übrigen lächelte er, redete, las die Zeitungen, verfolgte die Politik, erledigte Geschäfte. Wer vermochte zu sagen, daß diese lächelnde Aufmerksamkeit sich nur als hohle Schale über einem Herzen wölbte, in welchem es grabesstill und düster aussah?
    »St. Clare ist höchst merkwürdig«, sagte Marie in anklagendem Ton zu Miß Ophelia. »Ich habe immer gedacht, wenn er irgend jemand in der Welt liebte, wäre es unsere kleine Eva; aber jetzt scheint er sie sehr schnell zu vergessen. Er hat auch für mich nicht ein Wort der Teilnahme gehabt und sollte doch wissen, daß eine Mutter viel mehr Gefühl hat als jeder Mann.«
    »Jedes Herz kennt seine eigene Bitternis«, sagte Miß Ophelia mit Nachdruck.
    »Das meine ich ja. Ich kenne meine Gefühle – aber niemand begreift das. Nur Eva, und sie ist dahin!« Schluchzend legte sich Marie zurück und wollte sich nicht trösten lassen.
    Sie gehörte zu den Unglücklichen, in deren Augen alles Verlorene und Vergangene einen Wert annimmt, den es, während sie es besaßen, niemals gehabt hatte. Was immer sie besaß, sie fand an jedem etwas auszusetzen; war es dann verschwunden, stieg es zu ungeahnter Bedeutung auf.
    Während diese Unterhaltung im Wohnzimmer vor sich ging, entspann sich eine andere in St. Clares Bibliothek. Tom, der seinem Herrn unaufhörlich unruhig folgte, hatte ihn vor einigen Stunden in die Bibliothek gehen sehen; nachdem er vergeblich auf sein Erscheinen gewartet, beschloß er endlich, ihm nachzugehen. Da lag St. Clare auf seinem Liegestuhl in der entferntesten Ecke des Raumes. Er lag auf dem Gesicht, nicht weit davon lag aufgeschlagen Evas Bibel. Tom ging hin und blieb neben dem Liegestuhl stehen. Er zögerte, und während er noch zögerte, richtete sich St. Clare plötzlich auf. Da

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