Onkel Toms Hütte
genaue Durchsuchung der Taschen machte. Er zog ein kleines seidenes Taschentuch hervor und steckte es in die eigene Tasche. Einige Kleinigkeiten, die Tom besonders gehütet hatte, weil Eva einst über sie gelacht, betrachtete er mit verächtlichem Brummen und warf sie über die Schulter in den Fluß.
Toms Gesangbuch, das er in der Eile vergessen, nahm er auf und durchblätterte es.
»Hu, riecht nach Frömmigkeit. Du gehörst zur Kirche, wie?«
»Ja, Herr«, sagte Tom fest.
»Na, das werde ich dir bald austreiben. Bei mir dulde ich keinen von den jaulenden, betenden und singenden Niggers; richte dich danach. Also nimm dich in acht!« sagte er aufstampfend und warf Tom einen stechenden Blick aus seinen grauen Augen zu. »Ich bin jetzt deine Kirche! Verstehst du – du hast so zu sein, wie ich es sage!«
Etwas in dem schwarzen Mann antwortete nein! Und als ob eine unsichtbare Stimme sie wiederholte, kamen ihm die Worte der alten prophetischen Weissagung in den Sinn: – »Fürchte dich nicht, denn ich habe dich gerettet. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist Mein!«
Aber Simon Legree hörte keine Stimme. Diese Stimme wird er niemals hören. Er starrte nur für einen Moment lauernd in Toms gesenktes Gesicht, dann schritt er weiter. Er nahm Toms Koffer, der eine sehr hübsche und vollständige Garderobe enthielt, mit auf das Vorderschiff, wo ihn bald verschiedene Leute des Schiffspersonals umringten. Unter mancherlei Gelächter auf Kosten der Nigger, die gern den großen Herrn spielen, wurden alle Sachen rasch verkauft und der leere Koffer schließlich versteigert. Das war ein Hauptspaß, besonders wenn man verfolgte, wie Tom seinen Sachen nachsah, als sie in alle Winde gingen, und am komischsten war die Versteigerung des Koffers, wobei man unzählige Witze riß.
Nach Erledigung dieses kleinen Geschäfts langte Simon wieder bei seinem Eigentum an.
»Na, Tom, siehst du, jetzt habe ich dein Gepäck ein bißchen erleichtert. Nimm deine Kleider nur gut in acht. Es wird lange dauern, bis du neue kriegst. Bei mir lernen die Nigger Sorgfalt, bei mir muß ein Anzug ein Jahr lang halten.«
Jetzt ging Simon zu dem Platz, wo Emmeline, zusammengekettet mit einer anderen Frau, saß.
»Na, mein Täubchen«, sagte er und kraulte sie unter dem Kinn, »immer munter!«
Der unfreiwillige Blick von Schrecken, Angst und Abneigung, mit dem das Mädchen ihn betrachtete, entging ihm nicht. Er runzelte die Stirn.
»Keine Fisematenten, Mädchen! Du machst gefälligst ein freundliches Gesicht, wenn ich mit dir rede – verstanden? Und du, du altes Mondscheinscheusal!« sagte er und rüttelte die alte Mulattin, an die Emmeline angekettet war, »maul mir hier nicht rum! Du hast manierlich auszusehen, das rate ich dir!«
»Mal alle herhören«, rief er, zwei Schritte zurücktretend, »seht mich an – seht mich an – hier direkt in die Augen – geradewegs, los!« befahl er und stampfte jedesmal mit dem Fuß auf.
Und wie gebannt waren jetzt alle Blicke auf Simons lauernde, grünlichgraue Augen gerichtet.
»Also«, sagte er und ballte seine große schwere Faust zusammen, daß sie einem Schmiedehammer glich, »seht ihr diese Faust? Wieg sie!«, und er drückte sie auf Toms Hand. »Da, seht euch diese Knochen an! Also, diese Faust ist so hart wie Eisen und wovon? Vom Niggerniederschlagen! Ich habe noch keinen Nigger gesehen, den ich nicht mit einem Schlag zu Boden streckte«, sagte er und brachte seine Faust so nahe vor Toms Gesicht, daß dieser zusammenzuckte und zurückwich. »Ich halte mir keinen von diesen verfluchten Aufsehern; ich besorge meine eigene Aufsicht, und ich kann euch sagen, bei mir herrscht Ordnung. Jeder von euch muß auf Draht sein, aufgepaßt, und nicht gemuckst, sobald ich spreche. So benimmt man sich bei mir. An mir findet niemand eine weiche Stelle. Also hütet euch; ich kenne kein Erbarmen!«
Die Frauen hielten unwillkürlich den Atem an, der ganze Schub saß mit niedergeschlagenen, bedrückten Gesichtern da. Inzwischen hatte sich Legree auf dem Absatz herumgedreht und war in der Schiffsbar verschwunden.
»Auf die Weise mache ich mich mit meinen Niggern bekannt«, sagte er zu einem vornehmen Herrn, der seine Worte mitangehört hatte. »Der kräftige Anfang gehört zu meinem System – dann wissen sie, was ihnen blüht.«
»In der Tat!« entgegnete der Fremde und betrachtete ihn mit der Neugier eines Naturforschers, der ein besonderes Exemplar studiert.
»Jawohl, in der Tat. Ich gehöre nicht zu
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