Onkel Toms Hütte
will ich folgen.«
»Aber für den Fall, daß daraus der Allgemeinheit ein großer Schaden entsteht…«
»Gott gehorchen bringt niemals öffentlichen Schaden. Das weiß ich zu gut. Am Ende ist es immer das sicherste, seinen Willen zu tun.«
»Hör doch mal zu, Mary, ich kann dir klipp und klar beweisen …«
»Ach Unsinn, John. Nichts kannst du, und wenn du die ganze Nacht redest. Gesetzt den Fall, so ein armes verfolgtes Geschöpf klopfte an unsere Tür, könntest du es abweisen, nur weil es entflohen ist? Könntest du das?«
Nun hat unser Senator, um die Wahrheit zu gestehen, das persönliche Pech, ein Mann von besonders humaner und nachgiebiger Gemütsart zu sein. Jemanden abzuweisen, der in Not war, gehörte nicht zu seiner Stärke. Das Schlimme in seiner Lage aber war, daß seine Frau das wußte und ihn natürlich deshalb so gewissenlos in die Enge trieb.
Er nahm daher Zuflucht zu den üblichen Mitteln, Zeit zu gewinnen: er räusperte sich umständlich, holte sein Taschentuch hervor und putzte seine Brillengläser.
Mrs. Bird brauchte bloß den wehrlosen Zustand ihres Gegners zu sehen, um ihn gebührend auszunutzen:
»Ich möchte dich ja dabei sehen, John, wahrhaftig! wie du eine Frau im Schneesturm von deiner Tür jagst, oder nimmst du sie am Ende fest und lieferst sie dem Gefängnis ab? Du würdest eine prächtige Figur dabei abgeben.«
»Es wäre natürlich eine sehr schmerzliche Pflicht«, begann Mr. Bird in gemäßigtem Ton.
»Pflicht, John! Nimm das Wort nicht in den Mund. Du weißt, daß es keine Pflicht ist, daß es keine sein kann. Wenn die Leute ihre Sklaven am Weglaufen hindern wollen, sollen sie sie besser behandeln, das ist meine Ansicht. Wenn ich Sklaven hätte (was ich im Ernst nicht hoffe), würde ich es darauf ankommen lassen, ob sie uns davonliefen. Keiner läuft davon, wenn er sich wohlfühlt. Wer aber flieht, der leidet genug an Hunger und Kälte und tödlicher Angst, ohne daß auch noch wir ihm den Rücken zu drehen brauchen, John. Gesetz oder kein Gesetz, ich werde es nie tun, so wahr mir Gott helfe.«
»Mary! Mary! Liebste, nimm doch Vernunft an!«
»Ich hasse die Vernunft, John, besonders bei diesem Gegenstand. Ihr Politiker habt eine Art, eine einfache klare Sache in ihr Gegenteil zu verkehren, dabei glaubt ihr selber nicht daran. Ich kenne dich doch, John. Du hältst dies Ganze auch nicht für richtig, und du würdest es ebensowenig tun wie ich.«
An diesem kritischen Punkt steckte der alte Cudjoe, das schwarze Faktotum, seinen Kopf durch den Türspalt und bat die gnädige Frau in die Küche. Der Senator, sichtlich erleichtert, sah seiner kleinen Frau halb amüsiert und halb betroffen nach; dann lehnte er sich in seinen Lehnstuhl zurück und vertiefte sich in seiner Zeitung.
Kurz darauf hörte man an der Tür die Stimme seiner Frau in dringlichem Ton: »John! John! Bitte komm gleich mal her!«
Er legte seine Zeitung weg und begab sich in die Küche und fuhr betroffen zurück vor dem unerwarteten Anblick – da lag in tödlicher Ohnmacht auf zwei Stühlen ein junges, schlankes Weib in zerrissenen und vereisten Kleidern mit nur einem Schuh und an dem blutenden Fuß einem zerrissenen Strumpf. Auf ihrem Gesicht, das eine leidvolle Schönheit zeigte, trug sie zwar den Stempel ihrer verabscheuten Rasse, aber niemand konnte sich bei dem Anblick ihrer maskenhaft erstarrten Züge eines heißen Erbarmens erwehren. Er hielt den Atem an und sah schweigend zu. Seine Frau und ihr einziges farbiges Hausmädchen, die alte Tante Dinah, machten eifrige Wiederbelebungsversuche, während der alte Cudjoe den Knaben auf seine Knie genommen hatte, ihm Schuhe und Strümpfe auszog und behutsam die kalten Füßchen rieb.
»Sie könnte wahrhaftig einen Stein erbarmen«, sagte die alte Dinah mitleidig. »Es war wahrscheinlich die plötzliche Hitze, da ist sie ohnmächtig geworden. Sie war noch ganz munter, als sie eintrat und fragte, ob sie sich nicht einen Augenblick wärmen könne, und ich fragte sie gerade, wo sie herkäme, da fiel sie um. Hat nie viel harte Arbeit getan, nach ihren Händchen zu urteilen.«
»Armes Geschöpf«, sagte Mrs. Bird mitleidig, als das junge Weib seine großen, dunklen Augen aufschlug und sie verloren anblickte. Plötzlich fuhr ein Ausdruck des Schreckens über ihre Züge, sie sprang auf und rief: »Oh, mein Harry! Haben sie ihn geholt?«
Bei diesen Worten sprang das Kind von Cudjoes Knien, lief hin zu ihr und streckte seine Ärmchen aus. »Oh, da ist er!« rief sie
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