Onkel Toms Hütte
sagte: »Ich trinke niemals, Herr.«
»Diese Versicherung habe ich schon öfters gehört, Tom; das wollen wir erst abwarten. Es wird allen Beteiligten die Arbeit ungemein erleichtert, wenn du nicht trinkst. Nichts für ungut, mein Junge«, setzte er gutmütig hinzu, als er sah, daß Tom noch immer ein ernstes Gesicht machte; »ich bin überzeugt, du hast die besten Vorsätze.«
»Ganz bestimmt, Herr«, versicherte Tom.
»Und du sollst es gut haben«, sagte Eva. »Papa ist zu allen Menschen gut, er neckt sie nur immer.«
»Papa bedankt sich für deine Empfehlung«, sagte St. Clare lachend; dann kehrte er sich um und ging weiter.
15. Kapitel
Von Toms neuem Herrn und manchen anderen Dingen
Nachdem sich der Lebensfaden unseres bescheidenen Helden in das Schicksal höher gestellter Menschen verwoben hat, sehen wir uns genötigt, diese erst einmal vorzustellen.
Augustin St. Clare war der Sohn eines reichen Pflanzers in Louisiana. Seine Familie stammte ursprünglich aus Kanada. Von zwei Brüdern, sehr ähnlich im Charakter und Temperament, hatte sich der eine auf einer blühenden Farm in Vermont niedergelassen, während der andere eben jener mächtige Pflanzer in Louisiana geworden war. Augustins Mutter stammte aus einer französischen Hugenottenfamilie, die in Louisiana eingewandert war, als dieses Land eben besiedelt wurde. Augustin und sein Bruder waren die einzigen Kinder ihrer Eltern. Er hatte von seiner Mutter die ungewöhnlich zarte Gesundheit geerbt, so daß man ihn während seiner Kindheit auf ärztlichen Rat für mehrere Jahre der Obhut seines Onkels in Vermont anvertraute, damit er sich in dem rauhen Klima kräftigen möge.
Während seiner Kindheit zeichnete er sich durch eine ungewöhnliche Weichheit des Charakters aus, wie man sie mehr bei der Sanftheit des weiblichen Geschlechts als bei der üblichen Härte seines eigenen vermutet. Mit der Zeit jedoch überzog sich diese Weichheit mit der rauhen Rinde seiner Männlichkeit, nur wenige ahnten, wie lebendig und frisch sie noch darunter fortbestand. Er besaß reiche Gaben des Geistes. In einem der Randstaaten lernte er ein hochgesinntes, schönes Mädchen kennen, gewann ihre Liebe und verlobte sich mit ihr. Er kehrte in den Süden zurück, um die Vorbereitungen zur Hochzeit zu treffen, als er völlig unerwartet seine Briefe durch die Post zurückerhielt und eine kurze Mitteilung ihres Vormundes ihn in Kenntnis setzte, daß seine Braut noch vor Eintreffen dieser Zeilen die Gattin eines anderen sein werde. St. Clare glaubte, den Verstand zu verlieren. Zu stolz, um Erklärungen zu erbitten oder einzuholen, warf er sich unverzüglich in den Strudel rauschender Geselligkeit und war schon vierzehn Tage nach Empfang des Briefes der Auserwählte der gefeierten Schönheit der Saison. Die Hochzeit wurde sogleich angesetzt, und schon war er der Gemahl einer Frau, die ihm eine blendende Figur, glänzende, dunkle Augen und hunderttausend Dollar in die Ehe brachte. Natürlich hielt ihn alle Welt für einen ausgemachten Glückspilz.
Das junge Paar verbrachte seine Flitterwochen im glänzenden Freundeskreis in einer herrlichen Villa am See Pontchartrein, als man ihm eines Tages einen Brief brachte, dessen Handschrift ihm nur allzu vertraut war. Er erhielt ihn, als er ausgelassen und sprühend eine ganze Gesellschaft unterhielt. Beim Anblick der Handschrift wurde er totenblaß, aber er bewahrte seine Fassung und beendete das Wortgeplänkel mit seiner reizenden Nachbarin, kurz danach vermißte man ihn im Kreise. Allein in seinem Zimmer öffnete und las er den Brief, der doch viel zu spät kam. Er war von ihr und enthielt einen langen Bericht über Verfolgungen, die sie von seiten der Familie ihres Vormundes hatte erdulden müssen, um sie zu veranlassen, sich mit dessen Sohn zu verbinden. Sie berichtete, wie seit längerer Zeit seine Briefe ausgeblieben waren, wie sie immer wieder geschrieben hatte, um endlich voll Zweifel und Elend zu verzagen. Der Brief schloß mit dem Ausdruck der Hoffnung und Dankbarkeit, mit Beteuerungen der unverbrüchlichen Liebe, die dem unseligen jungen Mann bitterer als der Tod erschienen. Umgehend schrieb er zurück:
»Ich habe Deinen Brief erhalten – aber zu spät. Ich habe alles geglaubt, was man mir sagte. Ich war vollkommen verzweifelt. Ich bin verheiratet, und alles ist aus. Du mußt vergessen – das ist alles, was uns beiden übrigbleibt.«
Und so endete das Lebensideal, die ganze Romantik des Lebens für Augustin St. Clare. Nur die
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