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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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hatten und überall umherspähten, ob nicht etwas ihrer Obhut bedürfe.
    Jede ihrer Bewegungen war scharf, bestimmt und energisch; und wenn sie auch nicht viel redete, so waren ihre Worte doch klar und unmißverständlich und trafen stets ins Ziel.
    In ihren Gewohnheiten war sie die verkörperte Ordnung und Genauigkeit. Ihre Pünktlichkeit war so zuverlässig wie ein Uhrwerk und so unerbittlich wie eine Lokomotive, und sie verachtete und verabscheute entschieden alles, was in dieser Hinsicht ihrer Natur entgegengesetzt war.
    Die Sünde aller Sünden in ihren Augen – die Summe aller Übel – gipfelte für sie in dem häufigen und wichtigen Ausdruck – ›Liederlichkeit‹. In der Betonung des Wortes liederlich drückte sie ihre letzte und endgültige Verachtung aus, und damit bezeichnete sie jedes Verhalten, das nicht in direkter Beziehung zur Vollendung einer festen Absicht stand. Leute, die nichts taten oder nicht genau wußten, was sie eigentlich wollten, die nicht geradewegs auf ein festes Ziel zusteuerten, waren Gegenstand dieser völligen Verachtung, einer Verachtung, die sie weniger in Worten als in einem steinernen Ingrimm äußerte, als ob sie es verschmähte, der Sache Erwähnung zu tun.
    Miß Ophelia war die absolute Sklavin des ›du sollst‹. War sie einmal überzeugt, in welcher Richtung der Pfad der Pflicht, wie sie es zu nennen liebte, verlief, so konnten weder Wasser noch Feuer sie davon abhalten. Sie würde stracks in einen Brunnen oder unbeirrt vor die Öffnung einer geladenen Kanone laufen, wenn sie nur wüßte, daß dieser Pfad dorthin führe. Ihr Rechtsbegriff war so hoch, so allumfassend und genau, er machte der menschlichen Schwäche so wenig Zugeständnisse, daß sie trotz heldenhafter Anstrengung ihn tatsächlich nie erfüllte und deshalb stets von dem nagenden Bewußtsein ihrer Unvollkommenheit besessen war. Dies gab ihrem religiösen Charakter einen strengen und düsteren Hintergrund.
    Aber wie in aller Welt verträgt sich Miß Ophelia mit Augustin St. Clare – der so heiter, unbekümmert, unpünktlich, unpraktisch und skeptisch war? Der frech und liebenswürdig alle ihre behüteten Gewohnheiten und Meinungen über den Haufen warf?
    Um die Wahrheit zu sagen: Miß Ophelia liebte ihn. Als Knabe hatte sie ihn im Katechismus unterwiesen, seine Kleider ausgebessert, ihm die Haare gebürstet und ihm den rechten Weg gezeigt; da auch ihr Herz eine weiche Stelle hatte, hatte sich Augustin, wie er das bei den meisten Menschen zu tun pflegte, dort sogleich eingenistet; daher war es ihm ein Leichtes gewesen, sie zu überzeugen, daß der Pfad der Pflicht nach New Orleans führte, daß sie ihn begleiten müsse, um Eva zu erziehen und seinen Hausstand vor Verfall und Ruin zu schützen, solange seine Frau noch kränklich war. Die Vorstellung eines Hauses, dem niemand vorstand, ging ihr zu Herzen, außerdem liebte sie das reizende kleine Mädchen, wie das den meisten Menschen erging, und wenn sie auch Augustin für einen Heiden hielt, so liebte sie ihn trotzdem, lachte über seine Späße und sah ihm seine Fehler in einer Weise nach, die alle, die sie kannten, für unmöglich hielten. Was nun noch weiter an Miß Ophelia zu erforschen ist, muß der Leser nach persönlicher Bekanntschaft selbst entdecken.
    Wir finden sie jetzt in ihrer Kabine, umgeben von einer Unmenge von kleinen und großen Reisetaschen, Körben und Schachteln, alle gefüllt mit wichtigen Dingen, die sie mit ernstem Stirnrunzeln auf- und zuband, einpackte und befestigte.
    »Na, Eva, hast du deine Sachen gezählt? Natürlich nicht, Kinder tun das nie. Also da ist die gepunktete Reisetasche und die kleine blaue Hutschachtel mit deinem besten Häubchen – das macht zwei, die Gummitasche sind drei, mein Nadelkästchen vier, meine Hutschachtel fünf und meine Kragenschachtel sechs und der kleine Koffer macht sieben. Wo hast du deinen Sonnenschirm? Gib ihn her, ich wickle ihn ein und befestige ihn an meinem Regenschirm – so geht es.«
    »Aber Tantchen – wir gehen doch nach Hause; wozu das alles?«
    »Damit alles hübsch in Ordnung bleibt, mein Kind; man muß seine Sachen schonen, wenn man es zu etwas bringen will im Leben. Und nun, Eva, ist dein Fingerhut eingepackt?«
    »Wahrhaftig, Tantchen, das weiß ich nicht.«
    »Na, das macht nichts; ich werde in deinem Handarbeitskästchen nachsehen; Fingerhut, Wachs, zwei Garnrollen, Schere, Messer, Bandnadel; gut, steck es ein. Was hast du nur angefangen, Kind, als du mit deinem Papa allein

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