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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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Dicker.
    All die Rastlosigkeit, all die Energie … All der Fluch …
    Aus schwarzen, blutverschmierten Augenhöhlen schaut der Hüne von der Höhe seiner blutenden Existenz herab auf den Mann in der Ecke, schräg an der Linse vorbei abwärts, doch von dem in der Ecke eingekeilten Mann sieht der Betrachter momentan nichts, und hört nichts als schweres Atmen.
    Der Hüne wechselt die Handhabung des Dolchs. Hat er ihn bisher mit der Klinge aufwärts gehalten, greift er nun um. Meuchelgriff. Griff in der Faust, Klinge nach unten. Führt die Spitze an die linke Brust, plaziert sie auf seiner linken Brustwarze, deren Hof das linke geschlossene Schlupflid »Ottos« bildet. Fixiert die Spitze mit Daumen und Zeigefinger der Linken – und öffnet die Rechte. Der Griff des Yoroi-dōshi nun wie auf dem Präsentierteller. Rammbereit schwebt der Dolch zwischen ihnen.
UT1:  Na los, Dicker. Feigling. Du Memme. Sag’s mir. Sag’s mir ins Gesicht. Sag’s mir ins Gesicht: Dreck bist du. Und dann rammst du mir das Ding in deine Visage. Du bist sowieso schon tot. Ramm mir das Ding in deine Visage. Ist nur konsequent. Ramm dir das Ding ins Auge und mir ins Herz. Das ist deine letzte Chance, Dicker. Deine Mitreisenden werden’s dir danken. Los, Dicker. Los. Auge um Auge, Zahn um Zahn, Dicker. Ich kann das nicht. Mehr kann ich nicht machen. Ich kann nur für dich bluten, aber mein Herz kann ich mir nicht rausschneiden. Na los, Dicker, du Votze. Du Fickfehler. Feigling. Ist doch gar nicht schwer. Das da: Bella, das war schwer. Mach hin. Na los, mach hin. Wie viele Ostfriesen braucht man, um einen Dolch wo reinzurammen? Hä? Komm, Dicker, mach hin, sonst SCHLITZ ICH HIER EINEN NACH DEM ANDERN AUF, EINEN NACH DEM ANDERN, ALLE EINUNDDREISSIG! – Hast du alles drauf, Süße? Du hast doch alles drauf, Süße? Du schneidest alles mit, du Votze, sonst mache ich dich kalt. TUT MIR LEID UM BELLA, DICKER! Gott, was mache ich hier eigentlich.
    Der Blick des Hünen funkt direkt in die Linse. In Dagmars drittes Auge. Auge um Auge. Flehentlich und drohend.
    »Loooos!« schreit jemand (ohne Untertitel), der akustischen Richtung nach aus den Reihen der Shantyboys – weil der Hüne mit dem Rücken zu ihm steht, kann er nur aus Haltung und Genuschel des Hünen und dem Blick des Mannes mit der Baskenmütze geschlossen haben, was da vorgeht –, und dann, mit überschnappender Stimme, noch etwas (ebenfalls ohne Untertitel), das wahrscheinlich soviel wie »Stech ihn ab!! Stech ihn ab!!« besagt.
    Was der Hüne ignoriert. Nein, nicht ignoriert, vielmehr mit Lächeln quittiert, bekümmertem, wissendem, aber auch grimmig gefaßtem Lächeln. Mit einem Lächeln aus dem Schmierentheater.
UT1:  Das ist mein Vermächtnis, Süße. Das ist mein Vermächtnis. Mehr will ich gar nicht. Ich hab mein Leben verpfuscht. Ich hab das Beste draus gemacht. Mehr war nicht drin. Aber versau mir nicht mein Vermächtnis, Süße. Das ist alles, was ich noch habe. Du kannst es verkaufen. Kriegst du jede Menge Kohle für, jede Wette. Hiermit verfüge ich, daß du die offizielle Besitzerin dieses Videos bist. Hiermit verfüge ich, daß du meinen Body an Agora TV verkaufen kannst. Laß dich nicht übers Ohr hauen, Süße. Und – besorg dir diese Salbe, mit der du mir die Haut abziehn kannst. Okay? Aber wenn du Scheiße baust, du Votze, dann sei ver–
    Und in der nächsten Sekunde geht alles drunter und drüber. Zweiundzwanzig Sekunden lang ist nur noch Chaos aus verwischenden Farben und Formen zu sehen – zu amorph sogar, um Taumelreiz im Gehirn eines Betrachters auslösen zu können. Zu hören zunächst teils schwache, teils spitze Schreie. Punktuelle kleine Tumulte. Gepolter, neue Schreie, Schmerzgewinsel. Und schließlich stürzt die Kamera, prallt hörbar auf und ruht. Zeigt starr einen starren Wald von Stuhl- und Tischbeinen in einem roten See. Fünf Sekunden lang. Und dann wieder perspektivisches Chaos, psychedelisch, diesmal schwindelerregend, und dann sieht man den Mann mit dem Bart, aber mit kahlem, ungebräuntem Schädel, ohne die Baskenmütze, rücklings im blutüberströmten Mittelgang liegen. Eine Hand verdreht unterm Steiß, eine auf dem rechten Schlüsselbein. Er zittert nicht mehr, sondern liegt ganz ruhig, die hellen Augenlider im nassen, rotbronzenen Gesicht halb geschlossen, aus den Schlitzen strahlt heller noch, wiewohl blutunterlaufen, Augapfelweiß.
    Und dann, unter ständigem Brabbeln und Winseln Dagmars, schwenkt die Kamera wieder auf den

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