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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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Orange .
    Zwar hatte Händchen dann ja gar nicht ausdrücklich auf Ausübung der Macht seines Hahnenkopfs bestanden – vielleicht, so vermutete Onno, hatte er ihn ja auch schlicht vergessen. Aber verloren hat Onno durch seine Trotzstrategie auch nichts – im Gegenteil.
    »Nun mal Hahnenkopf hin und her«, sagte Raimund. »Aber der Hunde kopf, Herrgott. Der war immerhin echt .«
    »Njorp«, machte Onno. »Weiß nicht.« Versuchte dann aber doch eine Erklärung. War schlimmer Anblick, sicher, aber – vielleicht erschreckte der ihn nicht sooo sehr, weil er halt schon einiges gewohnt ist. Von seinem Schwiegervater. Hat oft genug zugesehen, wenn der die Köpfe von Rehböcken abkochte etc. Wie die Enthauptung des Hundes an sich vonstatten ging, daran hat er ja keine Erinnerung. Da muß Händchen ja auch irgendwie mit dem Rücken zu ihm gesessen haben, keine Ahnung. Die Entstehungsgeschichte, gut, da hätte er nicht länger drüber nachdenken dürfen. Aber der bloße Anblick des Hundekopfes – im gesamten Rahmen dessen, was da ablief … tjorp.
    Eine weitere groteske Regung schilderte Onno. Als Tibor in bestimmten Situationen eine Gänsehaut nach der anderen produzierte, da sei er »fast neidisch« gewesen auf die emotionale Intensität …
    Und so suchte er Kompensation. Versuchte, einen taktischen Ansatz zu finden. Hier zu blocken hatte keinen Sinn. Mühsam versuchte er, sich auf eine lange, lange Schupfphase einzurichten. Das Potential seiner friesischen Gene, seine Resilienz begannen sich zu restaurieren. Deziliter um Deziliter Wasser schwitzte er aus, womit lebenswichtige Stoffe zum Teufel gingen – doch andererseits warf er damit auch Ballast ab, der das Überleben erschwerte. Vielleicht schmölze er nach und nach auf einen Kern, der leicht wie ein Korken wäre und – schwömme?
    Ich ließ den Film weiterlaufen, und Onno wunderte sich über sich selbst, wieviel er »gequasselt« hat … »Aber als ich ihm das vom Moderlieschen vorgelesen hab, da hätt’ ich mir am liebsten doch auf die Zunge gebissen. Andererseits …«
    Andererseits war das der Moment, der Händchens sehnsuchtsvollen, inständigen Blick hervorgerufen hat. Jenen Blick, mit dem er Dagmar bzw. ihre Kamera bedacht hat. Jenen Blick, der Onno schlaglichtartig die Natur von Händchens verborgener Psycho-Agenda veranschaulichte.
    Nach Volkszählung, Rap-Gig und Schlagerparade ist es dann »eng geworden«, sagte Onno, »das war deutlich zu spüren. Wie er wie so’n Moschusbulle da die Scheibe eingeschlagen hat … Mann, Mann, ’ch, ’ch, ’ch.« Die Ritz-Orgie da, und die immer aggressivere Aufforderung, er, Onno, soll sagen, warum er ihn, Händchen, »verarscht« hat. Da ist es dann »eng geworden, verdammt eng, das war verdammt deutlich zu spüren«. Da hat er dann versucht, durch offensive Witzelei Zugang zu ihm zu finden – so wie’s auf Malle hin und wieder funktioniert hat. Diesmal nicht.
    »Und dann, dann hat er mir die vergiftete Hand verpaßt«, sagte Onno, »und das mußte ich erst mal verdauen. Ich hab mich sofort daran erinnert, daß er auf Malle behauptet hat, er kann das. Kann die vergiftete Hand.« Das sog. Dim mak. Aus dem sog. Bubishi. Ein Schlag auf einen sog. Vitalpunkt, der auf einem der zwölf sog. Energieflußmeridiane liegt. Der einen Menschen mit minuten-, stunden- oder gar wochenlanger Wirkungsverzögerung töten können soll.
    »Und doch, oder gerade deswegen hab ich gesehen: Jetzt schauspielert er .« Hat es an jenem Blick erkannt, den Händchen auf den Schrei eines der Schlumper Shantyboys hin aufsetzte, Onno möge ihn »abstechen«. »Da hab ich gesehn: Er macht den sterbenden Schwan. Hab ich deutlich gesehn: Macht den sterbenden Schwan. Wie Bulle Honk beim V-GIRLS – Finale.« Chargiert. Mimt den eigenen Märtyrer. Will auf Biegen und Brechen seine eigene Heldensage begründen. Onno roch es. Erschnüffelte die Kopfnote melodramatischen Parfüms.
    Und indem er das erkannte, erkannte der Mann mit der Baskenmütze seine Chance. Und handelte. Tat etwas, mit dem niemand rechnete. Das zwar wie eine Übersprungshandlung anmutete – in Wahrheit aber nichts geringeres als eine gewitzte Heldentat war, bedenkt man die Situation, in der zu stecken er doch erkannt haben muß und, interpretiert man seine Gestik entsprechend, auch erkannt hat : Hauptgeisel eines psychisch schwerkranken Herkules, ist er soeben anhand eines mysteriösen martialischen Schlags mit Zeitzünder dem Tode geweiht worden. Und doch – oder

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