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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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allen Ernstes, der Mann mit dem Bart zu Wort. Nein, nicht allen Ernstes – es soll wohl ein Scherz sein, denn er preßt eine erbärmlich verunglückte Gelächtersilbe hinterher, die genauso gut von einer Möwe stammen könnte.
    Als der Hüne explodiert war, hatte die Druckwelle den Mann mit dem Bart noch tiefer in die Ecke gepreßt. Nun kauert er auf seinem Stuhl, schweißübergossen, befallen von einer sanften Art von Schüttellähmung, schielt nach dem Hünen und redet solch ein Zeug daher.
    Doch der Hüne geht drauf ein.
UT1:  Die nimmt doch alles auf. Die nimmt doch alles auf, Dicker. Wird doch alles im Bild festgehalten. Und bloß, daß du’s weißt: Das mache ich nur, weil ich … weil ich dich liebe , Dicker. Weil du mein bester Freund gewesen bist. Der beste Freund, den ich je hatte. Warum hast du mich verraten, Dicker? Warum? Mein Leben ist verpfuscht, Dicker. Ich hab das Beste draus gemacht. Das Beste, was möglich war. Und du verrätst mich, Dicker. Warum hast du das gemacht? Kuck hier, ich liebe dich. Und jetzt sag mir, warum du mich bloß so verarscht hast? Warum? Warum hast du mich bloß so ver arscht , Mensch …?
    Ein letztes Mal wartet der Hüne auf Antwort. Doch diesmal kommt nicht mal mehr eine Ausflucht.
    Bevor der Hüne sich dem Mann mit der Baskenmütze zuwendet, vergewissert er sich, daß Dagmar ihre Arbeit tut. Dann beugt er sich über den Tisch und langt nach dem Mann mit der Baskenmütze, der sich entziehen will – doch keine Chance hat gegen einerseits Wand, andererseits derartige Reichweite. Der Hüne packt ihn am Latz. Zieht ihn über den schmalen Tisch zu sich heran, wobei sein Arm auf die Broschüren blutet; man hört es in dicken Tropfen auf papierenen Untergrund regnen, zügig regnen, beinah prasseln. Er steckt den Dolch zwischen die zahnlosen Kiefer. Fixiert mit der Linken das T-Shirt-Knäuel vor der Brust des Mannes konzentrierter, wobei das Blut von seinem Ellbogen geradezu strömt , und dann – dann hackt er einmal kurz mit dem Mittelfingerknöchel der rechten Faust auf das rechte Schlüsselbein des Mannes. Nur ein einziges Mal; wie man so sagt: kurz und trocken.
    Selbst vorm heimischen Monitor vernimmt man einen seltsamerweise weniger knöchernen als vielmehr tönernen Ton.
    Dann läßt der Hüne das T-Shirt wieder los und sagt:
UT1:  So, Dicker. Du bist tot.
    Der Mann mit der Baskenmütze, manisch streichelt er, mit flatternden Fingern, sein rechtes Schlüsselbein, versucht sogar schielend, wiewohl er in seinem eigenen Schweiß zu ersaufen droht, es in Augenschein zu nehmen – vergeblich natürlich.
    Der Hüne reckt den Muskelharnisch seiner Brust in die Kamera. Schielt auf die linke Hälfte. Nimmt den Dolch und zieht die Schneide über die Stelle auf seiner Haut, wo die Kehle des verewigten Abbildes eines betrunken schlafenden »Otto« sitzt. Aus »Ottos« Kehle blutend, wendet er sich frontal der Kamera zu und spricht, indem er den Schädel leicht über die rechte Schulter dreht.
UT1:  Du bist tot, Dicker. Jetzt kannst du’s mir ja sagen. Warum hast du mich verarscht? Warum hast du mich so verarscht, als wäre ich der letzte Dreck? Als wäre ich Abschaum, Dicker? – Geh mal da rüber, Süße, daß ich mir nicht dauernd den Hals verrenken muß!
    Und Dagmar gehorcht. Gesellt sich auf den Stuhl neben dem Mann mit der Baskenmütze, der somit eingekeilt ist, umzingelt, doch aus dem Fokus verschwindet; nur seine schwere, mühsame Atmung ist jetzt deutlich zu hören.
    Im Fokus steht der andere. Steht da, ein Menhir aus Fleisch, und schaut sich selbst beim Bluten zu. Zuckt hin und wieder mit dem ganzen Körper, als sei er mit Elektroden verbunden. Und schaut wieder zu, wie das Blut aus verstreuten Bornen in der linken Hemisphäre seines Körpers entspringt, aus Schlitzen in seiner Hautleinwand, die den Film seines Lebens zeigt, und sagt:
UT1:  Du bist tot, Dicker. Du bist schon tot. Du kannst es mir sagen. Sag’s mir, Dicker. Sag: Ich hab dich verraten, nicht weil ich dringend Kohle brauchte, sondern – na? Weil du mich anwiderst. Sag’s mir, Dicker. Sag: Weil du Dreck bist. Sag’s. Sag: Du bist Dreck. Du bist Abschaum. Der Teufel. Bestie. Du gehörst auf den Müll. Du bist Schrott, Dicker, du bist Abfall, du bist menschlicher Abfall, du störst, du störst, du … du bist Dreck, reiner Dreck, gefährlicher Dreck – Giftmüll, Dicker, sag’s, Dicker. Sag’s mir ins Gesicht: Du bist ein Riesenhaufen Giftmüll. Du gehörst entsorgt. Sag’s mir,

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