Op Oloop
bewahrten, war eigentlich die Summe dreier konzentrierter Selbstgespräche. Van Saal, bedrängt wie kein anderer, zog aus dem Zusammentreffen, an das er sich gerade erinnert hatte, die logische Konsequenz: »Was mich angeht, gibt es Erik und Ivar von heute an nicht mehr. Nie hätte ich vermutet, daß sie so treulos sind. Die Freundschaft ist das Edelste im Leben. Sie übertrifft die Liebe, da sie tiefere Wurzeln schlägt und mit größerer Schönheit erblüht.«
»Und sie übertrifft den Tod; denn da sie nicht auf Befehl des Instinkts aus der Materie entspringt, sondern aufgrund sublimer Neigung aus der Seele, macht der Tod nichts anderes, als sie in der Unsterblichkeit zu verewigen.«
»Ganz genau, Gastón. Das Kanaillentum von Erik und Ivar beschämt mich.«
»Sprechen Sie nicht von diesen Typen! Ich weiß nicht, was zum Teufel die sich denken! Die waren so dreist, uns beim Essen mit Schwachsinnigkeiten zu nerven.«
»Danach auch. Vor allem Sie, Gastón. Sie beschuldigten Sie ich weiß nicht welcher moralischer und ideologischer Abweichungen Op Oloops.«
»Das will ich glauben. Sie sind so idiotisch, daß sie nicht davor zurückschrecken, auf diese Weise die Genialität ihres Landsmannes zu beleidigen. Op Oloop reizte sie natürlich mit seiner Dialektik. Ein paar Sophismen brachten sie aus dem Häuschen. Dennoch hatten sie am Ende die Erbärmlichkeit, für bare Münze zu nehmen, was er als Paradox aufführte. Und das, obwohl unser unglückseliger Freund nicht auf der Höhe seiner selbst war! Sie wissen, mit welchem Talent er jegliche Überlegenheit bei den Banketten fallen läßt, mit welchem Feingefühl er die geistigen Distanzen auslöscht, indem er sich zu Zoten und Banalitäten herabläßt. Gut, heute abend war er schwermütig, abwesend in einer überweltlichen Traumatmosphäre, oft niedergeschlagen, stets betrübt … Und dieses Pärchen Dummköpfe verbitterte ihn auf Schritt und Tritt, wegen Kleinkram, ohne an die Tragödie zu denken, über die wir ihm dadurch hinweghelfen wollten, das Bankett zu einem Beruhigungsmittel zu machen.«
»Was erwarten Sie von derartigen Trotteln! Sie machten den ganzen Abend auf schamhaft, und siehe da, Piet fand sie in einer Kaffeeklitsche auf der Jagd nach wer weiß was … Für mich ist der Toningenieur …«
«… einer von denen, die ihre Eier auf dem Tisch ausbreiten wie ein spanisches Cape, um mit Rabelais zu sprechen, und dann ungelenke Liturgien anfangen … Stimmen Sie mir zu?«
»Einverstanden. Und der Kapitän ein …«
»… passiver Päderast. Ist es das, was Sie sagen wollten?«
»So weit habe ich nicht gedacht. Doch ich füge mich Ihrer Erfahrung. Ich weiß, daß Sie scharfsinnig und versiert in diesem Thema sind. Ich hätte ihn zu einem altersschwachen Typen gemacht, mit Rheuma im Schwanz …«
Sie waren schon nahe bei Op Oloops Domizil.
Kaum hielt das Auto, da lehnte sich der valet, der sich auf dem Warteposten befand, über den Balkon im fünften Stock.
»Ist er gekommen?« schrie Van Saal vom Gehsteig aus hinauf.
»Nein.«
Die Stimme schlug herunter, als hätte sich ein Stück Gesims gelöst.
Erschlagen sahen sie sich an. Die Beklemmung erstickte die Worte.
05:10
Piets Entschlußfreudigkeit verhinderte, daß ihre Vorahnungen reiften.
Er blickte auf die Armbanduhr: 5.10 Uhr!
»Steigen Sie ein. Wir fahren auf die Wache. Ich habe mit dem Inspektor vereinbart, daß er die Mithilfe aller Kommissariate der Stadt anfordert. Jede Neuigkeit über Op Oloop werden wir dort vorfinden. Steigen Sie ein. Der besagte Beamte ist höchst interessiert an dem Fall. Es ist derselbe, der bei dem Zusammenstoß auf der Avenida Callao und bei dem Stockhieb des Konsul tätig wurde.«
»Auch eine gute Kanaille, dieser Konsul …«
»Erinnern Sie mich nicht daran! Glauben Sie, er hätte auf die Ohrfeige reagiert, die ich ihm verpaßt habe? Nicht im geringsten. Was für eine Kaltblütigkeit, Robín! Die Landsleute haben sich mir mit einem Schlag enthüllt. Der eine feige, die anderen treubrüchig. Kurz und gut: so ist das Leben! Sind Sie nicht müde?«
»Schön wär's! Das Nachtleben ist für Medizinstudenten wie mich ein Training. Stellen Sie sich vor: wenn man mich zu später Stunde ruft, werde ich völlig munter vor den Patienten treten …«
»Ich hege den Verdacht, daß Ihr Training ziemlich ausführlich ist …«
»Das kommt darauf an. Ich hätte vor vier Jahren meinen Abschluß machen sollen. Doch ich beeile mich nicht. Dank dem Training, das ich
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