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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
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verfolge, werde ich immer in Form sein … Im übrigen waren meine Beschäftigungen stets nächtlich: Praktikant bei der Öffentlichen Fürsorge, Hilfskraft einer Beratungsstelle für Syphiliskranke.«
    »Ich bevorzuge ebenfalls, aus ›sehr ehrenwerten‹ persönlichen Gründen, das Nachtleben. Mir gefällt es außerdem, wenn andere Männer das gleiche tun … Soviele wie möglich … Die Sonne empört mich. Ich habe sie schon ziemlich lange nicht mehr gesehen. Zu Beginn meines Berufslebens bescherte mir diese Angewohnheit zahlreiche Unannehmlichkeiten und Nachteile. Da ich noch keine Unterschrift bei den Banken hinterlegt hatte, passierte es mir, daß mehrere Schecks verfielen, ohne daß ich sie kassiert hätte …«
    »Wie mag es Ihnen gegangen sein!«
    »Sie wissen, Robín, daß ich ein Epikureer bin. Die Betriebsamkeit, die Hektik der Stadt am Tage verwirren mich. Überfluß an Maschinen, an Ehrgeiz, an Elend. Die Nacht ist immer balsamisch und opulent. Die Stadt zieht sich zurück, geht in sich, ruht. Und genießt. Ich ziehe der Lust in Bewegung die Lust im Ruhen vor. Stasis nicht kinesis. Bereits der Meister selbst hat es gesagt: es ist besser, die Beine im Schatten eines Olivenbaums auszustrecken, als sie im Stadion zu ermüden.«
    Das Auto bremste vor dem Bezirkskommissariat.
    »Piet, gehen Sie allein. Wir bleiben hier.«
    »Angst?«
    »Robín, Sie kränken mich! Taktik, nichts weiter. Das einzige, was ich an der Polizei fürchte, sind ihre ›Forderungen‹ … Der Kommissar ist mir nicht geneigt. Eine Schmiergeldangelegenheit zwischen uns.«
    Van Saal kehrte nach kurzer Zeit zurück: »Es gibt nichts Neues. Ich weiß nicht mehr, was tun! Die Ungewißheit quält mich. Es ist bitter, helfen zu wollen und sehen zu müssen, daß der Zufall die Gelegenheit schwinden läßt. Denn Op Oloop braucht Hilfe. Ich weiß es. Ich spüre es. Ich fühle verhängnisvolle Vorzeichen. Nichts machen zu können!«
    »Ruhig, Piet. Wir teilen ihre Sorge. Doch was nützt es, zu verzweifeln? Gehen Sie noch einmal hinein. Beharren Sie darauf, in den Bezirkskommissariaten nachzuhaken. Robín und ich warten.«

05:12
    Währenddessen – die Freunde waren gerade erst wieder losgefahren – kam Op Oloop nach Hause. Von Madame Blondels Sitz aus bis zur Larrea auf Höhe der 700 war die Fahrt des Statistikers einem Kräfteverfall gleichgekommen. Im Automobil hingeworfen, marterten die Stöße und Kurven seinen Organismus und ließen ihn wie eine amorphe und losgelöste Masse schwingen. Es mangelte an der bewußten Spannung, die die Ordnung der Materie aufrechterhält. Es mangelte an der menschlichen Höhe, die der Würde der Existenz im Leben ihren Rang erteilt.
    In der Nähe seines ehemaligen Domizils schrie der Chauffeur, der ihn schlafend wähnte: »Wir sind schon da, Señor.«
    Sein Fahrgast schlief nicht. Er vergewisserte sich, daß seine Augen ihn anblickten, wenn auch ohne Festigkeit, und daß sein Verstand funktionierte, wenn auch so langsam, daß er dachte, es mit einem Berauschten zu tun zu haben. Er schüttelte ihn.
    »Wir sind schon da. Larrea 700.«
    Die Macht der Zahl! Er belebte sich mechanisch: »Larrea 721 … Ich wohne nicht mehr hier … Bringen Sie mich nach Belgrano, Ecke Cabildo und José Hernández … Worauf warten Sie? … Ich muß die Karteikarte Nummer Tausend füllen … Warum mustern Sie mich? … Ich bin Opfer einer Unterschlagung geworden … Einer sinnlichen Unterschlagung … Geht Sie das was an? … Schnell … Schnell habe ich gesagt!«
    Als sie ankamen, hatte die »Maniküre«-Freundin den Zugang zu ihrem »Etablissement« bereits geschlossen.
    Wutentbrannt befahl er: »Nach Hause. Avenida Alvear. Wenn Sie doch schneller gefahren wären!«
    Niemals hatte er jemanden gescholten, doch bei dieser Gelegenheit genoß er es, ungerechtfertigt ruppig zu sein.
    Brummelnd ließ er sich erneut auf die Sitzbank des Taxis fallen.
    Op Oloops Schädel war wie das schattige Firmament einer schwarzen Nebelwand. Nur schwach beleuchtete ein galliges Licht vom Grunde des Intellekts seine Strudel. In der großen Leere summten der Laubsturm der Begebenheiten und die Staubwolke seiner Leidenschaft. Das Delirium schlug in Traumwirbeln Funken. Alles summte. Und ein finsteres Jaulen nahm seiner Seele den Mut, quälte das Herz und ließ den Puls verrückt spielen. Ein im Chaos geborenes Jaulen, von einem Höllenwesen befehligt, um das Astwerk der Nerven zu beschneiden und den Spiegel der Empfindungen zu zerbrechen.
    Er ließ

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