Op Oloop
Reinheit mit einem absolut unverantwortlichen Kuß.
Der Instinkt hebt die Widersprüche und gefällt sich darin, Extreme zu vereinen. Darauf beruht das Gleichgewicht. Op Oloop zeigte eine unschuldige Röte, als er sich aus der Umarmung löste, und Franziska den stolzen Genuß, sich geliebt zu fühlen. So, im vollkommenen Gleichgewicht, beschrieb seine tiefe Diapasonstimme die Bilder seines Traumes: »Franziska, die Versprechen der Liebe sind unentrinnbare Verpflichtungen, wenn sie von der Seele unterschrieben werden. Eine erotische Insolvenz gibt es nicht, es sei denn, es handelt sich um die Krise einer Zweckehe. Glaube an die meine, so wie ich an die deine glaube. Auf diese Weise begegne ich dieser Hochzeitsfälligkeit mit einem in gegenseitigen Träumen erarbeiteten Verlangen. (Pause.) Ich weiß wohl, daß in der Musik des Lächelns auf der stummen Linierung der Blicke viele Hoffnungen auf Termin geschrieben werden. Worte sind im spirituellen Geschäft überflüssig. Stets waren die großen Liebenden sparsam mit Worten. Die Leiden des Werther und die Qualen der Maria Bashkirtseff sind vorsichtige Vertraulichkeiten. Wer bis zur Pracht des höchsten Gefühls vorgedrungen ist, der kennt das Hemmnis rhetorischer Werte! (Tiefes Seufzen.) Die Brautzeit kann ein Wettstreit der Höflichkeiten sein oder ein täglicher Kult der Obsession. Mein Fall. So kann man der Verwundung durch den göttlichen Pfeil mit einer Reihe von Finten ausweichen oder ihn mit emporgereckter Brust empfangen, um die köstliche Marter der Ruhelosigkeit zu genießen, die der Schmerz manchmal entzündet, verstärkt durch die Verdorbenheit des anderen. ( Große Niedergeschlagenheit.) Jenen aber ist zu mißtrauen, die die Liebe stilisieren. Sie sind professionelle Verführer, die die eigene Eitelkeit und den Titel des Don Juan auf den Jahrmärkten der Dummheit hochschätzen. Sie brüsten sich, arme Teufel! und verhindern oder mindern damit die Herausbildung des feinen Kristalls, der es eigentlich ist, der ihr Begehren nährt. Ihnen galt die Phobie Stendhals. Zu Recht: Da die Liebe die Kraft des Lebens ist, bedeutet jede Beschränkung eine Beleidigung ihrer Natur und jede Ästhetisierung eine bizarre Extravaganz. ( Ermüdete Schlaffheit.) Die Leidenschaft ist die Großzügigkeit des Egoismus. Wenn die Liebe sich auf dem Gipfel der Anziehungskraft verausgabt, kommt es auf dem Höhepunkt zu einem edlen Gefühl, das die Vorurteile beherrscht, die Hyänen des Eigennutzes zähmt und die Wesensverwandtschaft befruchtet, über die Geringschätzung aller und seiner selbst hinaus. ›Die Gesellschaft ist mir lästig, die Einsamkeit drückt mich nieder‹ … Ich sage geschlagen das gleiche wie Constants Adolphe. (Tränen.) Es nützt nichts, für das Aufschäumen des Herzens die einfache Alchemie der guten Ratschläge zu suchen. Es nützt nichts, für diesen exacerbatio cerebri etwas anderes herbeizubringen als die beruhigende Glückseligkeit dessen, was man liebt. Die heilende Kraft der Liebe währt ewig. Die Liebe ist ein Gift mit einem einzigen Gegengift: sie zu lieben. (Unterdrücktes Seufzen.) Franziska, auf daß sich derart unsere gefolterten Seelen in der Stille heilen! Auf daß sie mit diesem Hochzeitslied aus Tränen in Glück ausbrechen! Aus Tränen, die nichts weiter als dekantierte Zärtlichkeit sind! (Der Kopf, eine reife Frucht des Schmerzes, fällt auf seine Schultern.)«
So hätten sie vielleicht endlos weitergemacht. Die Glückseligkeit schaltet das Sinnesleben aus und legt den Fluß der Stunden lahm. Doch die Klingel, die dieses Mal viel durchdringender erschallte, lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Eingangstür und auf die Schritte ihres Vaters, des Konsuls und Van Saals, die sich auf den Weg machten, um den eintreffenden Arzt zu begrüßen.
»Es ist ungeheuerlich, was passiert, Op Oloop! Sie verstehen dich nicht! Sie wissen nicht, daß die Liebe deine Krise hervorruft. Und sie möchten sie herausreißen, indem sie mich aus dir herausreißen.«
»Oh, nein, cherie! Es wird ihnen niemals gelingen, uns zu abelardisieren. Unsere Verbindung ist unauflöslich. Keine Vulgarität kann sie antasten. Wenn die Schwierigkeiten größer werden, soll unser gegenseitiges Vertrauen sie gerade deshalb überwinden. Ich tauge nicht zum Abélard! Niemand kann mich abelardisieren! Sie werden uns niemals abelardisieren!«
Er wiederholte die Sätze mit wachsendem Ingrimm, als sich der Arzt und die übrigen näherten. Das nie gehörte Verb erweckte in allen
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