Op Oloop
Sie mir den Gefallen und nehmen Sie Frankreich davon aus. Ich werde das nicht dulden!«
»Hören Sie auf mit diesen Nichtigkeiten! Dann sind Sie also … Als ob Sie im Krieg ein tapferer Vorzeigefranzose gewesen wären. Doch Sie waren ein Feigling …«
»… wehrzersetzerisch und verräterisch. Doch spielen Sie nicht auf Frankreich an!«
»Jawohl, ein nach Barcelona geflohener Wehrzersetzer aus der Bande von Almereyda und Bolo Bajá und ein vom spanischen Konsortium gut bezahlter Verräter, der den deutschen U-Booten Daten und Treibstoff lieferte. Ich selbst habe Ihre Dienste in Anspruch genommen!«
»Haargenau.«
»Warum also soviel Geschrei um Frankreich! Wenn man das Vaterland liebt, verrät man es nicht.«
»Sie irren sich. Ich habe Frankreich immer geliebt, auf meine Weise. Gerade weil meine Liebe so rein ist, schlägt sie in Sadismus um. Daran stößt sich der Chauvinismus und die krankhafte Selbsteinschätzung Frankreichs. All meine Feigheit, mein wehrzersetzendes Verhalten, mein Verrat hatten, so negativ sie auch schienen, einen Hintergedanken: Frankreich zu heilen. Es von seinen bürgerlichen Fehlern und ethischen Traumata zu heilen. Momentan verfahre ich auf dieselbe Art. Gerade weil die französische Moral knurrt, da der Mädchenhandel ein Zweig der nationalen Industrie geworden ist, gefalle ich mir darin, ihn scharfmacherisch zu verbreiten. Erst wenn die Epidemie sich ausbreitet, werden Maßnahmen ergriffen … So wird der schlechte Ruf, den wir Frankreich schmieden, vielleicht dazu führen, daß es sich eines Tages bessert … Dann wird unsere Arbeit geschätzt werden, die vorbereitend und unabkömmlich ist wie der Wismutfleck für die Radioskopie. Daher werde ich niemals erlauben, daß Frankreich in meiner Gegenwart beleidigt wird. Möglicherweise ist meine Mutter eine Hure. Es ist ihr Recht oder ihr Schicksal. Was ich nicht zulasse, ist die Beleidigung, das vor mir auszusprechen. Nichts weiter.«
Verwirrung.
Die Atmosphäre war von Mißmut getränkt.
Außer dem fast ekstatischen Op Oloop beobachtete jeder der Gäste den anderen, als drängte er darauf herauszufinden, was genau los war. Mußte man den Zwischenfall ernst nehmen oder nicht? Das paradoxe Säbelrasseln des Zuhälters hatte Erik entwaffnet. Hochgewachsen wie er war, brannten seine bartlosen Wangen vor Scham und Zorn. Er rang um Worte und brachte keines heraus. Schließlich, vor Anstrengung noch röter angelaufen, spie er aus: »Ich verstehe nicht. Wann hat man je gesehen, daß Verräter ihr Vaterland lieben? Wo hat es Ganoven gegeben, die über die soziale Wertschätzung wachen? Versuchen sie doch, es zum Untergang zu bringen … Versuchen sie doch, sie zu beschmutzen … Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Auch dich nicht, Op Oloop, einen Rebell gegen die Tradition der alten Finlandia, aufständisch gegen die Heimat, die dich geformt hat. Hast du etwa keine Gefühle? Was beabsichtigtest du damit, uns zu sowjetisieren? Die alte skandinavische Rasse auszurotten, das blaue Kreuz unserer Flagge zu besudeln, das Suomen Laulu, die heroische Melodie der Hymne von Runeberg zum Schweigen zu bringen? Ich verstehe Widersprüche dieses Ausmaßes nicht: romantisch und grausam zu sein … kultiviert und bäurisch grob … Warum verdammst du die Aufopferung im Krieg, hast du doch an den roten Schandtaten teilgenommen? Warum vergießt du über die weißen Gräber der Yankees Tränen, hast du doch deine Landsmänner unbegraben gelassen?«
Op Oloop, das Gesicht emporgehoben und die Lider gesenkt, atmete weiter Licht ein … Das Säbelrasseln des Zuhälters rasselte in ihm …
»Los, ich möchte eine Antwort!« scholt der Kapitän sie rasend. »Du, der du dich über die Verbrechen des anderen Lagers entflammst und nicht über die des eigenen Lagers nachdenkst … Du, der du in jedem Kreuz ein Symbol für den nach Gott rufenden Menschen siehst und nicht in jedem Menschen ein mit Fetzen ausgeschlagenes Kreuz … Du, der du weißt, daß es, ›um im Krieg siegreich zu sein, notwendig ist, Lust am Töten zu empfinden‹, und dieses Wissen mit deiner Beredsamkeit verhöhnst … Und Sie …«
»Mich lassen Sie da heraus. Man sieht, daß Ihnen der Wein nicht gut bekommt.«
Eine so unerwartete Eingebung ließ ihn von seinem Rednerpult stürzen. Gerade weil sie perfekt war, traf sie den Kapitän vernichtend. (Man reagiert stärker auf das Wahre als auf das Falsche.) Dann musterte er Marietti knurrend, der gerade seine Krawatte richtete. Und dem
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