Op Oloop
Brokatstoffes schlängelten sich über ihr entpoetisiertes Fleisch, kraftlos und schwach, und gaben ihm Glanz und Lebendigkeit.
Op Oloop begann sich zu entkleiden.
Er war kein Puritaner. Puritaner sind Zyniker mit lächerlichen Dämpfern aus gutem Benehmen. Er begegnete den Ereignissen des Lebens mit der Offenheit, mit der das Leben selbst die gesunden Gemüter versieht. Für die einen ist die Moral Intelligenz, das heißt Gerissenheit; für ihn war sie unter Spannung stehender Wille, das heißt ein essentieller Rhythmus. Daher legte er bei diesem Stand der Dinge alle mentalen Skrupel ab und führte seine Begierde auf natürliche Weise zur Wasserstelle.
Als er sich halbnackt sah, zuckte er dennoch unter einer feindlichen Empfindung zusammen. Der Akt des Beischlafs, der acto schlechthin, verstörte ihn durch seinen Mangel an Schönheit. Feurig, ohne Ästhetik, riefen sein heftiges Toben und das Seufzen des Orgasmus in ihm stets Widerwillen hervor. Er hätte sich gewünscht, daß die Natur mit aller Anmut des Gleichgewichts und der Ekstase in die Begattung einfiele. In diesem Sinne verdeutlichte, als er sich an Kustaas Seite legte, die Ungleichheit ihrer Körpergrößen die Überlegenheit der platonischen Liebe über die plastische Absurdität der körperlichen Liebe.
Doch die Berührung erregte bereits andere Kräfte … Und er sagte fast lächelnd: »Das einzige, was mich zu einem Heuchler macht, ist die Liebe.«
Ihre Oberkörper preßten sich schon vor Erregung zusammen, da erklang aus dem Nebenzimmer schrill das Klingeln des Telefons. Madame Blondel nahm das Gespräch an. Marietti und Van Saal fragten nach ihm. Als er seinen Namen hörte, ließ Op Oloop sich rücklings auf die purpurne Decke fallen. Er wurde ganz Ohr. Eine unberechtigte Furcht befiel ihn. Er hörte die mit Nachdruck gesprochene abschließende Antwort: »Nein. Er ist nicht da. Er ist schon gegangen.«
Und danach, wie um die Lüge zu rechtfertigen, dieselbe Stimme, spöttisch: »Na klar … Nie im Leben … Ihn in diesem Moment zu rufen!«
Zum anfänglichen Spiel zurückgekehrt, war es schon nicht mehr dasselbe. Seine Stimmung war umwölkt. Aller Schwermut schien sich auf seinem Gesicht ein Stelldichein zu geben. Er schwamm auf Vagheiten. Sein Herz schlug in einem verwerflichen Vakuum mit den Flügeln.
Kustaa wunderte sich über die Veränderung. Sie richtete sich ein wenig auf und ließ ihren Körper herumgleiten, um ihn vis-a-vis anzusehen. Der Statistiker drehte den Kopf weg, seine Lippen stießen gegen eine hängende Brust. Da überkam ihn ein plötzlicher, morbider Genuß, gekrönt von Sinnenlust und Schrecken. Und bereits ohne Kontrolle, legte er los: »O Kleine … mein Kleines! … Wer hätte das gedacht? … Wir sind verloren … komplett verloren! … Siehst du? … Unsere Seelen leiden … sie leiden! … Sie sind übel zugerichtet von fürchterlichen Krokodilsbissen … Sie reißen nur vierunddreißig Prozent der Seele hinweg … Wir gehen durch diese mit den Hinterbacken loser Frauenzimmer gepflasterte Avenida … Folge mir! … Nein … Ich möchte nicht in diese vaginalförmigen Gitarren eintreten … Ivar … kennst du Ivar? … Er hat es gesagt… Das gegenüberliegende Ufer der Liebe ist der Tod … Hier entlang … Sag mir, sind deine Arme Lianen oder Vipernnester? … Erweise deine Ehrerbietung … schnell! …
Der Kommandant dieses Heeres von Penissen ist der Herr der Stille … Der nahrhaften Stille des Todes!«
Verwirrt und beunruhigt, wuchs in Kustaa die Verzweiflung. Eine taube und wimmernde Verzweiflung, die sie zuerst dazu veranlaßte, sich einzurollen, dann aus dem Bett zu springen und schließlich seine Hände und Wangen in der naiven Hoffnung zu schlagen, ihn dadurch zu sich zurückzuholen. Welch Wunder! Seine Ungereimtheiten verstummten. Bereits gelassener, besänftigte ein Umschlag mit Kölnisch Wasser auf der Stirn die letzten konvulsiven Ausstöße Op Oloops. Und er selbst, in einer Art von Halbschlaf und sich die Haare raufend, öffnete die Augen und füllte die Atmosphäre aufs neue mit Vertrauen und Kameradschaftlichkeit.
»Erschreck dich nicht, bitte … Das ist vorübergehend … Ich habe getrunken … Ich komme von einem Dinner mit Freunden … Exzesse … Ich glaubte, daß das Bankett eine Medizin des Vergessens sei … Doch nein … Das Vergessen heilt die Liebe nicht … Soweit die Wahrheit, Kustaa …«
»Gut, ja, ich verstehe. Doch was für ein Schreck! Was für phantastische Dinge! … Ich
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