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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
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nur noch ein klein wenig Seele geblieben ist. Entpoetisiertes Fleisch, kraftlos und schwach! Fleisch, das die Erniedrigung kategorisiert! Besiegtes und stummes Fleisch!
    »Mulier sui corporis potestatem non habet: sed vir  …« Quälende Wahrheit! Sie war nie Herrin ihres Körpers gewesen. Von ihrem Vater, der es mit einem furchtbaren Inzest befleckte, bis zu dem Landsmann, der es gerade stürmisch überfiel, hatte ihr Fleisch niemals eigenen Wünschen gehorcht. Sie erinnerte sich an die Zeiten von Schulen und Internaten, in denen ihre Onkel mit plausiblen Absichten über es verfügten: ihre Mitschüler jedoch suchten es mit entgegengesetzten Gelüsten heim. Sie ließ die kanaillenhafte Ausbeuterei ihres Freundes Revue passieren, die von ihm erzwungene Abtreibung und die Abartigkeiten ihrer Liebhaber. Und bereits im Sog der Leiden, verbuchte sie die ruppige Behandlung des souteneur, der sie nach Buenos Aires gebracht hatte, und die vielfache Verspottung, die sie in dieser Wohnung ertrug. Nie war sie Herrin ihres Körpers gewesen! Opfer von Beleidigungen und Schandtaten, Opfer der Mißhandlung durch Schläge und Ohrfeigen, hatte sie schon nichts mehr von den Männern zu erwarten. Daher, im Chaos der Sünde verloren, flog ihr Geist sehnsüchtig in Richtung dessen, was sein sollte. Sie verstand die Faszination der Liebe und beklagte, nicht die Erhabenheit des Idylls und die Gnade der Liebeleien genossen zu haben. Und noch höher schweifend, verzweifelte es sie, nicht den Sieg über die Verbitterung davongetragen zu haben, indem sie sie durch die Verzückung des Lebens an der Seite eines guten Mannes auslöschte, der nur für sie da war. So schwieg sie, während sie sich an die von ihr gebrachten Opfer erinnerte – arglos, naiv, gefällig, erpreßt und käuflich –, um nicht zu weinen.
    Der Statistiker beschwichtigte daraufhin seinen Enthusiasmus. Er senkte den Blick und die Hände.
    »Entschuldige, Kustaa … Ich war grob …«
    Der zerknirschte Tonfall schmerzte sie. Ihr Gesicht war fast gelb vor Müdigkeit und Erschöpfung. Ihr Beschluß war gewesen, nichts als ein Kunstwerk aus Fleisch zu sein, genau wie bei ähnlich ausufernden Gelegenheiten. Ein Spielzeug der Lüsternheit. Doch sie änderte ihre Taktik. Von der anfänglich harschen Verachtung war sie zu einer sympathieträchtigen Verachtung übergegangen. Und sie antwortete auf Finnisch, mit distanzierter und heiserer Stimme: »Sorgen Sie sich nicht, mein Herr. Dafür sind wir da.«
    Er erstarrte.
    Etwas Unabänderliches, das gewaltige Gefühl eines inneren Fundes, ließ ihm den Mund halb offen stehen und die Lider zusammenpressen.
    »Dieselbe Stimme!« murmelte er.
    Und schnell, schamhaft, versuchte er sie mit dem Kleid zu bedecken. Er zeigte einen intimen Kummer, als hätte er eine ehrwürdige Erinnerung entweiht.
    »Oh, nein! … Ihr seid nicht dafür da … Niemand ist der Wischmob für jemand anderen … Ich habe mich wie ein Wilder benommen … Heute nacht bin ich außer mir!… Ich fordere, daß du mir verzeihst …«
    »Ich verzeihe Ihnen, ohne irgendeine Forderung.«
    Op Oloops Unruhe vergrößerte sich. Das Fiasko ließ ihn so sehr erröten, daß er es, auf dem Bettrand sitzend, vermied, sie beim Sprechen anzusehen.
    Kustaa legte ihre Handfläche unter sein Kinn. Sie wiederholte sanft die gleiche Bewegung, die er herrisch ausgeführt hatte. Und als ihre Blicke aufeinandertrafen und einen Augenblick lang verharrten, schienen sie gegenseitig zu einem Pfad vorzudringen, den sie schon einmal betreten hatten.
    »Diese Augen … Deine Stimme! … Sie schlagen in mir eine bekannte Saite an …«, murmelte er am Rande der Verzweiflung, da er sie in seinem Gedächtnis nicht genau einordnen konnte.
    »Unmöglich. Ich habe Sie gerade erst kennengelernt.«
    »Das stimmt nicht. Alles an dir ist mir vertraut … Woher kommst du?«
    »Aus Oulu.«
    »Aus Oulu! Ist es denn möglich! Lügst du mich auch nicht an?«
    »Ich habe Papiere. Ich wurde im Jahr des Krieges geboren.«
    »Kustaa … und weiter? Wie ist dein Nachname?«
    »Iisakki. Kustaa Iisakki.«
    »Iisakki? … Tatsächlich … Kommt mir nicht bekannt vor. Kenne ich nicht. Doch es gibt etwas Unverwechselbares, daß mich im Innersten überzeugt … Etwas, das mir sagt, daß du von vor deiner Geburt an mein bist …«
    »Kommen Sie, beruhigen Sie sich. Sie regen sich zu sehr auf. Sie wirken nicht finnisch. Eben gerade war ich Ihr seit der Kindheit, und nun von vor meiner Geburt an … Sie halten mich ja

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