Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
Vom Netzwerk:
Ich werde sie aus dieser Erniedrigung herausholen … Denn Kustaa ist mein … Mein! … Kein spanischer Spielkartenfabrikant wird sie mehr besitzen … Ich werde es nicht zulassen … Verstehen Sie? … Mal sehen, warum knöpfen Sie sich nicht noch einmal die Weste zu?«
    Während er diese Aufforderung hervorstieß, rannte er plötzlich wie entfesselt zu dem Zimmer, das er gerade verlassen hatte. Er blieb kurz vor der Tür stehen und ließ aggressiv eine Kanonade von Faustschlägen auf seine Halluzination niederprasseln. Dann, mit rotem Gesicht, ungestüm, als ob sein eingebildeter Rivale fliehe, verfolgte er diesen von einem Ende des Salons zum anderen und griff ihn unter ständigem Ausrufen an: »Mal sehen, warum knöpfen Sie sich nicht noch einmal die Weste zu?«
    Auf einmal versetzten ihn die körperliche Erschöpfung und die krankhafte Erregung seines Geistes in völlige Verwirrung. Die Bilder überlagerten sich in einem wilden Durcheinander. Lichter und Einrichtungsgegenstände hallten in seinen Ohren wider. Magnesiumqualm, Kapriolen eines Possenreißers, Feuerwerkskracher. Im Wirrwarr der Sinnesverrücktheit hatte er sich von der Wirklichkeit gelöst.
    Madame Blondel verlor darüber nicht die Fassung. Ihr war Op Oloops geheime Logik unbekannt, für sie blieb der Mann unverständlich. Und sie schickte die Pförtnerin, ein Taxi zu holen.
    Unterdessen rief sie nach Kustaa: »Du hattest recht. Er ist übergeschnappt. Lenk ihn ab. Nur du kannst das. Dann setzen wir ihn in ein Auto und Schluß damit.«
    Die Seele ist ein dunkler Raum. Im langsamen Prozeß der Differenzierung erleuchtet der Mensch ihn nach und nach. Er gelangt so weit, sich selbst vollkommen sehen zu können. Doch diese Vollkommenheit blendet ihn. Und er wird verblendet! Die Fülle dieser Klarheit ist ihm schon nicht mehr genug. Der angeheizte Individualismus verlangt, daß sein Licht immer heftiger aufblitzt. Er möchte durch seine fleischernen Mauern hindurchstrahlen. In dieser Sehnsucht sondert er sich von allem ab, und da er sich schleift und verfeinert, schadet er sich, indem er sich abschwächt. Dann kommt es zur Tragödie. Die Durchsichtigkeit wird von Schrecken getrübt. Die Wände krächzen unter dem Ansturm der Leidenschaft. Und in fortschreitendem Maße verfinstert sich die Seele und wird wieder das, was sie war: ein dunkler Raum.
    Kustaa trat an Op Oloop heran. Sie rief seine Seele. Im Inneren nahm sie Unordnung und Zweifel wahr. Und eine schwache Stimme inmitten der Dunkelheit: »Wer ist da: Engel oder Teufel?«
    Der Statistiker fand zu sich selbst zurück. Sein Blick wurde wieder klar, halluzinierte nicht, sondern sah. Als er sie erkannte, küßte er sie. Sein Kuß schmeckte noch nach Beleidigung … Sie küßte ihn. Ihr Kuß schmeckte noch nach Unterwürfigkeit …
    Als Ramona mit der Nachricht zurückkehrte, daß das Taxi wartete, schien Op Oloop ruhig. Furor brevis. Den Zorn einmal besänftigt, fiel seine wohlbekannte Vortrefflichkeit erneut ins Auge. Das Blut floß wieder zahm durch die feinen Kanäle des Gehirns. Der Charakter selbst, während des Anfalls verwandelt, kehrte in sein Flußbett aus Gelassenheit zurück. Noch bebte die moralische Erregung; doch eher wie das entfernte Echo des bereits verklingenden Donnerschlags. Er hatte die Erinnerung an den Zwischenfall fast verdrängt. Die Amnesie ist in solchen Fällen ein Geschenk des Himmels. Die auf bestimmte Neurosen folgende Fähigkeit, vergessen zu können, führt einen von der Vorsehung geschickten Mantel mit sich, um das von ihnen entblößte Elend zu verdecken.
    Schmeichlerisch und auf indirekte Weise legte ihm die Patronin nahe, sich zu entfernen:

04:40
    »Kustaa, es ist zwanzig vor fünf. Du hast dich heute nacht selbst übertroffen. Gehen wir. Es ist schon spät. Ich muß dir deine Medizin zubereiten. Verabschiede dich vom Señor hier.«
    Der Statistiker beobachtete die beiden Frauen, fast kläglich, und stellte so eine Frage, die er nicht mit Worten übermitteln konnte. Seine Formulierungsgabe war nach dem Überschäumen schwerfällig geworden. Es mangelte den intellektuellen Springfedern nun an Spannung. Das Denken lief, doch wie verzahnt, und die Reibung des Geistes mit seinen zermahlenen Nerven schmerzte ihn.
    Kustaa schloß aus der Nachgiebigkeit, mit der er sich fügte, auf seine Niederlage. Sie war ihm dadurch noch zugetaner. Sie wußte, daß unter dem trüben Ausdruck des Landsmannes ein lebendiges Feuer loderte, wahrhaftig, offen emotional, von einer so

Weitere Kostenlose Bücher