Op Oloop
für reichlich frühreif!«
Während sie so sprach, näherten sich ihre Lippen, reich an Liebesvitamin, denen Op Oloops. Und sie vereinten sich in einem gemächlichen und sanften Kuß.
Spitzbübigkeit und Neugierde hatten den Schlaf gebannt. Gewieft wie es ihre Gewohnheit war, entschloß sie sich, das Geheimnis der Leidenschaft ihres Kunden zu erforschen. Der Fall interessierte sie aufgrund der außergewöhnlichen Übereinstimmungen, die er genannt hatte. Im übrigen fand sie häufig Trost in den entsprechenden Entdeckungen. Nichts tröstet so sehr über die eigene Enttäuschung hinweg als die Enttäuschung eines anderen. Wenn es eine Vereinigung der Opfer der Liebe gäbe, würde die Solidarität in der Niederlage das Angesicht der Welt verändern. Sie hatte eine vage Vorstellung davon und pflegte gegen die Phlegmatiker in Wut zu geraten, die ihre Betrübnis verstecken, und gegen die Sorglosen, die aus der Liebe nichts weiter als einen Sport der Untätigen machen.
»Ich vermute, daß Sie, wie fast alle, die herkommen, verheiratet sind …«
»Nein.«
»Gut. Heiraten Sie nie. Die Ehe ist die eigentliche Steuerlast für die Ledigen.«
»…!«
»Nein. Wundern Sie sich nicht. Ich weiß es aufgrund der Ehrungen, die man uns erweist. Wir, die Frauen, die wir ungesetzlich mit dem Geschlechtstrieb spekulieren, wissen um den Protest der Liebe, der Pflichten und Verpflichtungen auferlegt sind. Die Liebe verlangt Freiheit, sonst erstickt sie. Oh! Warum beschämt Sie das nun?«
»Weil ich liebe …«
Kustaa schwieg. Der Statistiker hatte soviel Inbrunst in seine Worte gelegt, daß sie die Ehrlichkeit der Erklärung wie eine Opfergabe wertschätzte. Die Frauen prüfen auf eindringliche Weise den Romantizismus des Mannes. Sie fühlen den Puls seiner Niedrigkeit, die Kraftlosigkeit seiner Träume und seine weitläufigen potentiellen Energien. Vor seiner Größe klein geworden, wartete sie, daß er sprach.
»Und du … hast du geliebt?«
»Ja.«
»Warum errötest du dann?«
»Weil ich nie geliebt worden bin!«
Ihre Pupillen versanken im violetten Nimbus ihrer Augenringe. Ein leichtes Zittern ließ ihre Haut erschaudern. Und als das Schluchzen bereits bevorstand, drückte Op Oloop sie an seine Brust.
»Du Armes! Mein armes Mädchen!«
Seit seiner Flucht aus Helsinki hatte er seine Triebe im Laufe der Zeit zum Schweigen gebracht, indem er sie gezähmt hatte. Die Disziplin der Zahl zum einen und die eiserne Eindämmung jeglicher feurigen Leidenschaft zum anderen sorgten dafür, daß er sich nur schwer vom Umgang mit Frauen verlocken ließ. Nie hatte er ihnen weitreichende Bedeutung beigemessen; denn da sie als Empfängerinnen des Diktats der Spezies gewissen Verpflichtungen unterliegen, können sie ihren Trieben nicht so frei nachgehen, wie die Männer es tun, und sich unbesorgt in einer Moral der Ziemlichkeit abschotten. Daher verkehrte er nur am Rande mit ihnen: im notwendigen Maß, um das Ansehen der Männlichkeit zu bewahren. Er ging also leichten Herzens zu ihnen, nahm ihre Verheißungen an, verschmähte aber ihre launischen Irrgärten. Er trank vom Göttertrank, betrank sich aber nicht dadurch, ein Konkubinat einzugehen. Er gab ein Trinkgeld und notierte frei von Säften und Sehnsüchten eine Zahl in seinem Notizbuch, einen Namen und einige Eindrücke. Nichts weiter. Manchmal, ausnahmsweise, wenn er in den verbotenen Gemächern auf eine etwaig interessante Gefährtin oder eine »Veteranin« mit turbulenter Vergangenheit stieß, zögerte er den Abschied heraus. Während er Kustaa tröstete, überfiel ihn ohne einen logischen Grund die entfernte Erinnerung an Paul Allard, einen französischen Intellektuellen, der während des Krieges mit der Führung eines Bordells für die Soldaten des 10. Heeres beauftragt war. Wo mochte er nun wohl sein? Und Hildebranda, eine laut ihren Gefährtinnen »hochgestochene« italienische Gräfin, die sie mit dem Spitznamen »Kamel« versahen, nicht wegen irgendeines Höckers, sondern wegen der Leichtigkeit, mit der besagte Tiere sich bücken, um sich besteigen zu lassen … Und honigsüß brachte er aufs neue hervor: »Mein armes Mädchen! Was für eine Zukunft erwartet dich!«
Kustaa, noch weinerlich, lockerte die Umarmung. Sie sah Op Oloop an, der sie mit einer uralten Zärtlichkeit liebkoste. Und da ihr nichts anderes einfiel, um ihre Dankbarkeit auszudrücken, streckte sie sich nackt auf der purpurroten Bettdecke aus.
Der Farbkontrast verschönerte sie. Die Reflexe des
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