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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
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Unterlippe herabhängend und feucht.
    Vom Augenblick ihres Eintretens an setzte sich die Patronin mit einem gebieterischen Blick in der Runde durch. Sie wußte, daß es in solch kritischen Momenten das beste ist, nichts zu sagen. Dann glitt sie zu Kustaas Platz, bedeckte ihre zerbrechliche und verschwommene Nacktheit mit einem Bademantel und drängte sie zu sprechen: »Faß dich kurz. Was geht hier vor?«
    »Er möchte mich mitnehmen. Er sagt, daß ich seine Tochter bin … die Tochter seiner Träume … Er scheint verrückt zu sein.«
    »Dummes Zeug. Hat er dich bezahlt?«
    »Nein.«
    »Geh kassieren.«
    Und sie zog sich vorsichtig zurück, in die Lauerstellung eines Aasgeiers.
    Kustaa wußte nicht, was tun. Ihr großer Respekt hinderte sie daran, die verdutzte Andacht Op Oloops zu verletzen. Er war schon kein bloßer »Freier« mehr für sie. Er war der Mann, der ihre Mutter gekannt hatte. Aus diesem einen Grund, ohne seine übrigen Behauptungen zu überprüfen, hielt ein intensives Band sie zu Dankbarkeit an, nicht dazu, ihn auszunehmen. Und sie beherbergte ihn in ihrem Mitleid. Doch die Patronin nötigte sie unerbittlich mit Augenblinzeln, also trat sie näher. Während sie vortäuschte, ihm etwas ins Ohr zu flüstern, nutzte sie die Gelegenheit, um in seiner Weste zu wühlen, die noch über der Stuhllehne hing. Sie stieß auf Geldscheine. Genau vierzig Pesos. Ein Ausdruck triumphierender Freude schnitt sich in ihr Gesicht.
    »Hier haben Sie.«
    »Gut. Jetzt geh. Überlaß ihn mir.«
    Op Oloop war noch immer orientierungslos. Das Hereinstürzen von Madame Blondel hatte in ihm einen verhängnisvollen Gemütsschock hervorgerufen. Das Trauma schien seine Scham ausgemerzt zu haben. Bestürzt befiel ihn eine Art Lähmung des Gedächtnisses. Das körperliche Unwohlsein behinderte den Lauf seiner Gedanken und beeinflußte sein Benehmen. Er ging in sich, wollte sich auf etwas konzentrieren, doch er konnte es nicht.
    Die Patronin nahm ihn beim Arm: »Kommen Sie. Trinken wir den Whisky zu Ende.«
    Er wies ihr Angebot zurück. Energisch durchschritt er die Tür zum Salon, die Kustaa offengelassen hatte.
    Sein Empfinden hatte sich verändert: verzagt und kühn, furchtsam und erzürnt zugleich. Seine gewöhnliche Gesetztheit verwandelte sich in Mißtrauen. Sein ungezwungenes Wesen, das vormals für soviel Wohlwollen unter den Mädchen der casas non sanctas gesorgt hatte, war erloschen. Trotzig, finster, spähte er nun um sich, und er tat es unablässig, denn gleichzeitig litt er unter einer vielfachen Bedrängnis, einer penetranten Belästigung, die seinen Geist umkrempelte und ihn schmutzig wie das Innere eines Handschuhs zeigte. Das Barometer seiner Moral schlug vor Gereiztheit aus. Er, so tadellos, so gemäßigt, so zuvorkommend, bemerkte, daß die Wahrnehmung der Dinge und der Personen nun eine andere war: eine anklagende Wahrnehmung, die ihm Vergehen, Abgeschmacktheiten und Missetaten zur Last legte, welche er niemals begangen hatte. In diesem depressiven Pandämonium rief der durch die verstärkte Gehirntätigkeit erhöhte Blutzufluß einen Anfall von Jähzorn hervor. Ein mimischer Jähzorn zu Beginn, mit heftigen Gebärden, um Gnome und Phantasmen zu vertreiben. Dann ein beißender und gewaltsamer Jähzorn, der sich sofort gegen Madame Blondel richtete, als verkörperte sie die seiner Reinheit entgegengesetzte Kraft.
    »Werfen Sie mich nicht hinaus! … Ich bin kein Liederling! … Wenn ich auch der Vater von Kustaa bin … bin ich doch nicht der Vater, der sie in ihrer Kindheit vergewaltigte … Ich bin lediglich schuldig, da ich den Traum nicht verwirklichte … Denn … wir empfingen sie im Traum … Minna und ich …«
    »Selbstverständlich. Doch tun Sie mir den Gefallen, bitte schön. Setzen Sie sich.«
    »Niemals! … Ich will nicht! … Sie haben vor, mich in eine Falle zu locken … Mich zu strafen, indem Sie mich durch ein Kellerloch Kustaas ganze Verderblichkeit sehen lassen … Niemals! … Ich kenne dich, alte Harpyie … Kustaa geht mit mir … Sie wird bei Franziska leben … Bei Franziska! … Weißt du, wer Franziska ist? … Oh, Franziska! … Fran … zis … ka …«
    »Ja, und?«
    »Jaaa.«
    Es war ein durch Mark und Bein gehender, vertikaler Schrei, nach der hingestreckten Schlaffheit, in die seine Worte gesunken waren. Ein Schrei, der die Patronin erstarren ließ und sie dazu veranlaßte, all ihre Schläue einzusetzen, um Op Oloop loszuwerden.
    »Ja … Ich werde sie erneut zum Traum machen …

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