Oper und Drama
lassen wird, während dagegen ein tief und schmerzlich leidender in wenigeren, länger tönenden Akzenten die ganze Atemkraft verzehren muß. –
Je nach der Art des kundzugebenden Affektes, in den sich der Dichter sympathetisch zu versetzen weiß, wird dieser daher die Zahl der Akzente einer, durch den Atem sich bestimmenden, durch den Inhalt des Ausdruckes entweder zur vollen Phrase oder zum wesentlichen Phrasenabschnitte sich gestaltenden, Wortreihe feststellen, in welcher die übermäßige Zahl von, der komplizierten Literaturphrase eigentümlichen, vermittelnden und verdeutlichenden Nebenwörtern in dem Maße verringert worden ist, daß diese den für den Akzent nötigen Atem, trotz ihrer fallengelassenen Betonung – dennoch ihrer numerischen Häufung wegen, nicht unnütz aufzehren. – Das für den Gefühlsausdruck so Schädliche in der komplizierten modernen Phrase bestand nämlich darin, daß die zu große Masse unzubetonender Nebenwörter den Atem des Sprechenden in der Weise in Anspruch nahm, daß er, bereits erschöpft oder aus sparender Vorsicht, auch auf dem Hauptakzente nur kurz verweilen konnte und so das Verständnis des hastig akzentuierten Hauptwortes nur dem Verstande, nicht aber dem Gefühle mitteilen durfte, welches sich nur der Fülle des sinnlichen Ausdruckes gegenüber zur Teilnahme anlassen kann. – Die von dem Dichter bei gedrängter Redefassung beibehaltenen Nebenworte werden, in ihrer minderen, gerade nur notwendigen Zahl, zu dem durch den Sprachakzent betonten Worte sich so verhalten, wie die stummen Mitlauter zu dem tönenden Vokale, den sie umgeben, um ihn unterscheidend zu individualisieren und aus einem allgemeinen Empfindungsausdrucke zum verdeutlichenden Ausdrucke eines besonderen Gegenstandes zu verdichten: eine vor dem Gefühle durch nichts gerechtfertigte starke Häufung der Konsonanten um den Vokal benehmen diesem seinen Gefühlswohllaut ebenso, wie eine bloß durch den vermittelnden Verstand veranlaßte Häufung von Nebenwörtern um das Hauptwort dieses dem Gefühle unkenntlich macht. Dem Gefühle ist Verstärkung des Konsonanten durch Verdoppelung oder Verdreifachung nur dann von Notwendigkeit, wenn dadurch der Vokal eine so drastische Färbung erhält, wie sie wiederum der drastischen Besonderheit des Gegenstandes, den die Wurzel ausdrückt, entspricht; und so wird eine verstärkte Zahl der beziehungsvollen Nebenwörter nur dann vor dem Gefühle gerechtfertigt, wenn durch sie das akzentuierte Hauptwort in seinem Ausdrucke besonders gesteigert, nicht aber – wie in der modernen Phrase – gelähmt wird. – Wir kommen hiermit auf die natürliche Grundlage des Rhythmos im Sprachverse, wie er in den Hebungen und Senkungen des Akzentes sich darstellt, und wie er einzig durch Steigerung zum musikalischen Rhythmos in höchster Bestimmtheit und unendlichster Mannigfaltigkeit sich äußern kann.
Welche Zahl von Hebungen des Tones wir, dem Charakter der auszudrückenden Stimmung gemäß, für einen Atem, somit für eine Phrase oder einen Phrasenabschnitt, auch zu bestimmen haben, nie werden diese Hebungen selbst von ganz gleicher Stärke sein. Eine vollkommen gleiche Stärke der Akzente gestattet zuvörderst der Sinn einer Rede nicht, welche stets bedingende und bedingte Momente in sich schließt und je nach ihrem Charakter das bedingende gegen das bedingte oder umgekehrt das bedingte gegen das bedingende hervorhebt. Aber auch das Gefühl gestattet eine gleiche Stärke der Akzente nicht, weil gerade das Gefühl nur durch leicht merkbare, sinnlich scharf bestimmte Unterscheidung der Ausdrucksmomente zur Teilnahme erregt werden kann. Wenn wir zu erkennen haben, daß diese Teilnahme des Gefühles endlich am sichersten nur durch Modulation des musikalischen Tones zu bestimmen ist, so wollen wir für jetzt dieser Steigerung noch nicht gedenken, sondern uns nur den Einfluß vergegenwärtigen, den die ungleiche Stärke der Akzente zunächst auf den Rhythmos der Phrase ausüben muß. – Sobald wir die zusammengedrängten, und aus einer drückenden Umgebung von Nebenwörtern befreiten, Akzente nach ihrer Unterscheidung als stärkere und schwächere kundgeben wollen, so können wir dies nur auf eine Weise, die vollständig den guten und schlechten Hälften des musikalischen Taktes oder – was im Grunde dasselbe ist – den guten und schlechten Takten einer musikalischen Periode entspricht. Diese guten und schlechten Takte oder Takthälften machen als solche sich dem Gefühle aber
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