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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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Sees berührte, wird von seinen Wellen je nach ihrer Strömung richtungslos da und dorthin geworfen; während wiederum ein plumper Stein gänzlich in ihn versinken muß. Nicht aber nur mit der vollen ihm zugekehrten Seite seines Körpers versenkt sich der Nachen in den See, sondern auch das Steuer, mit dem seine Richtung bestimmt wird, und das Ruder, welches dieser Richtung die Bewegung gibt, erhalten diese bestimmende und bewegende Kraft nur durch ihre Berührung mit dem Wasser, die den wirkungsvollen Druck der leitenden Hand erst ermöglicht. Das Ruder schneidet mit jeder vorwärtstreibenden Bewegung tief in die klingende Wasserfläche ein; aus ihr erhoben, läßt er das an ihm gehaftete Naß in melodischen Tropfen wieder zurückfließen.
    Ich habe nicht nötig, dies Gleichnis näher zu deuten, um mich über das Verhältnis in der Berührung der Worttonmelodie der menschlichen Stimme mit dem Orchester verständlich zu machen, denn dies Verhältnis ist vollkommen entsprechend in ihm dargestellt – was uns noch genauer einleuchten wird, wenn wir die uns bekannte eigentliche Opernmelodie als den fruchtlosen Versuch des Musikers bezeichnen, die Wellen des Sees selbst zum tragbaren Nachen zu verdichten.
    Wir haben jetzt nur noch das Orchester als ein selbständiges, an sich von jener Versmelodie unterschiedenes Element zu betrachten und seiner Fähigkeit, diese Melodie nicht nur durch Wahrnehmbarmachung der sie – vom rein musikalischen Standpunkte aus – bedingenden Harmonie, sondern auch durch sein eigentümliches, unendlich ausdrucksvolles Sprachvermögen so zu tragen, wie der See den Nachen trug, uns klar zu versichern.

[ V ]
    Das Orchester besitzt unleugbar ein Sprachvermögen , und die Schöpfungen unsrer modernen Instrumentalmusik haben uns dies aufgedeckt. Wir haben in den Symphonien Beethovens dies Sprachvermögen zu einer Höhe entwickeln gesehen, von der aus es sich gedrängt fühlte, selbst das auszusprechen, was es seiner Natur nach eben aber nicht aussprechen kann. Jetzt, wo wir in der Wortversmelodie ihm gerade das zugeführt haben, was es nicht aussprechen konnte, und ihm als Träger dieser ihm verwandten Melodie die Wirksamkeit zuwiesen, in der es – vollkommen beruhigt – eben nur das noch aussprechen soll, was es seiner Natur nach einzig aussprechen kann –, haben wir dieses Sprachvermögen des Orchesters deutlich dahin zu bezeichnen, daß es das Vermögen der Kundgebung des Unaussprechlichen ist.
    Diese Bezeichnung soll nicht etwas nur Gedachtes ausdrücken, sondern etwas ganz Wirkliches, Sinnfälliges.
    Wir sahen, daß das Orchester nicht etwa ein Komplex ganz gleichartiger verschwimmender Tonfähigkeiten ist, sondern daß es aus einem – unermeßlich reich zu erweiternden – Vereine von Instrumenten besteht, die als ganz bestimmte Individualitäten den auf ihnen hervorzubringenden Ton ebenfalls zu individueller Kundgebung bestimmen. Eine Tonmasse ohne jede solche individuelle Bestimmtheit ihrer Glieder ist gar nicht vorhanden und kann höchstens gedacht, nie aber verwirklicht werden. Das, was diese Individualität aber bestimmt, ist – wie wir sahen – die besondere Eigentümlichkeit des einzelnen Instrumentes, das gleichsam den Vokal des hervorgebrachten Tones durch seinen konsonierenden Anlaut als einen besonderen, unterschiedenen bedingt. Wie sich nun dieser konsonierende Anlaut nie zu der sinnvollen, vom Verstande des Gefühles aus bedingten Bedeutung des Wortsprachkonsonanten erhebt, noch auch des Wechsels und des somit wechselnden Einflusses auf den Vokal fähig ist, wie dieser, so verdichtet sich die Tonsprache eines Instrumentes unmöglich zu einem Ausdrucke, der nur dem Organe des Verstandes, der Wortsprache, erreichbar ist; sondern sie spricht, als reines Organ des Gefühles, gerade nur das aus, was der Wortsprache an sich unaussprechlich ist, und von unserem verstandesmenschlichen Standpunkte aus angesehen also schlechthin das Unaussprechliche . Daß dieses Unaussprechliche nicht ein an sich Unaussprechliches, sondern eben nur dem Organe unseres Verstandes unaussprechlich, somit also nicht ein nur Gedachtes, sondern ein Wirkliches ist, das tun ja eben ganz deutlich die Instrumente des Orchesters kund, von denen jedes für sich, unendlich mannigfaltiger aber im wechselvoll vereinten Wirken mit anderen Instrumenten, es klar und verständlich ausspricht. [Fußnote: Diese leichte Erklärung des »Unaussprechlichen« könnte man wohl nicht mit Unrecht auf all das

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