Oper und Drama
verschmolzen sein müsse – gleichsam als der Verständlicher, aber zugleich auch Teilhaber der angeregten Empfindung –, so bestimmt sich auch ganz von selbst hierdurch schon der Inhalt des von der dramatischen Person Dargelegten wiederum als ein über den Inhalt einer gewöhnlichen Lebenslage so erhobener, als der Ausdruck es über den des gewöhnlichen Lebens ist; und der Dichter hat sich nur an das Charakteristische dieses geforderten und gewonnenen Ausdruckes zu halten – er hat nur darauf bedacht zu sein, diesen Ausdruck mit dem ihn rechtfertigenden Inhalte zu erfüllen, um sich des erhobenen Standpunktes genau bewußt zu werden, auf dem er, vermöge des bloßen Mittels des Ausdruckes, für die Geltendmachung seiner Absicht angelangt ist.
Dieser Standpunkt ist ein bereits so erhöhter, daß er das Ungewöhnliche und Wunderbare, das ihm zur Verwirklichung seiner Absicht notwendig ist, unmittelbar von ihm aus seine Entwickelung nehmen lassen kann , weil er es sogar schon muß . Das Wunderbare der dramatischen Individualitäten und Situationen entwickelt er ganz in dem Grade, als ihm dazu der Ausdruck zu Gebote steht, nämlich – als die Sprache der Darsteller, nach genauer Berichtigung der Basis der Situation als einer dem menschlichen Leben entnommenen und verständlichen, sich aus der bereits tönenden Wortsprache zu der wirklichen Tonsprache erheben kann, als deren Blüte die Melodie erscheint, wie sie von dem bestimmten, versicherten Gefühle als Kundgebung des reinmenschlichen Empfindungsinhaltes der bestimmten und versicherten Individualität und Situation gefordert wird.
Eine von dieser Basis ausgehende und bis zu solcher Höhe wachsende Situation bildet an sich ein deutlich unterschiedenes Glied des Dramas, das dem Inhalte und der Form nach aus einer Kette solcher organischer Glieder besteht, die sich gegenseitig so bedingen, ergänzen und tragen müssen, wie die organischen Glieder des menschlichen Leibes, der dann ein vollkommener, lebendiger ist, wenn er aus all den Gliedern, die ihn durch gegenseitigem Sichbedingen und Ergänzen ausmachen, besteht, keine ihm fehlen, keine ihm aber auch zu viel sind.
Das Drama ist aber ein immer neuer und neu sich gestaltender Leib, der mit dem menschlichen nur das gemein hat, daß er lebendig ist und sein Leben aus innerem Lebensbedürfnisse heraus bedingt. Dieses Lebensbedürfnis des Dramas ist aber ein verschiedenes, denn es gestaltet sich nicht aus einem immer gleichbleibenden Stoffe, sondern es nimmt diesen Stoff aus den unendlich mannigfaltigen Erscheinungen eines unermeßlich vielfach zusammengesetzten Lebens unterschiedener Menschen in unterschiedenen Umständen, die wiederum nur ein Gemeinsames haben, nämlich – daß sie eben Menschen und menschliche Umstände sind. Die nie gleiche Individualität der Menschen und Umstände erhält durch gegenseitige Berührung eine immer neue Physiognomie, die der dichterischen Absicht stets neue Notwendigkeiten für ihre Verwirklichung zuführt. Aus diesen Notwendigkeiten hat sich das Drama, jener wechselnden Individualität entsprechend, immer anders und neu zu gestalten; und nichts zeugte daher mehr für die Unfähigkeit vergangener und gegenwärtiger Kunstperioden zur Gestaltung des wahren Dramas, als daß Dichter und Musiker von vornherein nach Formen suchten und Formen feststellten, die ihnen das Drama insofern erst ermöglichen sollten, als sie in diese Formen einen beliebigen Stoff zur Dramatisierung einzugießen hätten. Keine Form war für die Ermöglichung des wirklichen Dramas aber beängstigender und unfähiger als die Opernform mit ihrem einfürallemaligen Zuschnitte von, dem Drama ganz abliegenden, Gesangstücksformen: soviel unsre Opernkomponisten sich mühten und quälten, sie auszudehnen und zu vermannigfachen, das unergiebige, zusammenhanglose Stückwerk konnte – wie wir an seinem Orte dies sahen – nur vollends zu Wust und Unrat sich zerstücken.
Führen wir uns dagegen nun übersichtlich die Form des von uns gemeinten Dramas vor, um sie, bei allem wohlbedungenen und notwendigen, immer neu gestaltenden Wechsel, als eine dem Wesen nach vollkommen, ja einzig einheitliche zu erkennen. Beachten wir aber auch, was ihr diese Einheit ermöglicht.
Die einheitliche künstlerische Form ist nur als Kundgebung eines einheitlichen Inhaltes denkbar: den einheitlichen Inhalt erkennen wir aber nur daran, daß er sich in einem künstlerischen Ausdrucke mitteilt, durch den er sich vollständig an das
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