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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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Bitterkeit verfolgen zu müssen! – Wollen wir aufrichtig sein, weil wir es müssen , so haben wir zu erkennen, daß nur die abgeschiedenen Meister dieser Kunst die Glorie des Märtyrertumes verdienen, weil, wenn sie in einem Wahne befangen waren, dieser Wahn sich in ihnen so edel und schön zeigte, und sie selbst so ernst und heilig an seine Wahrheit glaubten, daß sie ihr künstlerisches Leben mit schmerzvollem und doch freudigem Opfer für ihn ließen. Kein lebender und schaffender Tonsetzer ringt aus innerem Drange mehr nach solchem Märtyrertume; der Wahn ist soweit aufgedeckt, daß niemand mehr mit starkem Glauben in ihm befangen ist. Ohne Glauben, ja ohne Freude, ist die Opernkunst ihren modernen Meistern zu einem bloßen Artikel für die Spekulation herabgesunken. Selbst das Rossinische wollüstige Lächeln ist jetzt nicht mehr wahrzunehmen; überall nur das Gähnen der Langeweile oder das Grinsen des Wahnsinnes! Fast zieht uns der Anblick des Wahnsinns noch am meisten an; in ihm finden wir doch noch den letzten Atemzug jenes Wahnes , dem einst so edle Opfer entblühten. Nicht jener gaunerischen Seite in der ekelhaften Ausbeutung unsrer Operntheaterzustände wollen wir daher jetzt gedenken, wo wir den letzten lebenden und noch schaffenden Opernkompositionshelden in seinem Wirken uns darstellen müssen: dieser Anblick könnte uns nur mit einem Unwillen erfüllen, in welchem wir vielleicht zu unmenschlicher Härte gegen eine Persönlichkeit hingerissen würden, wenn wir dieser die garstige Verderbtheit von Zuständen allein zur Last legen wollten, die auch diese Persönlichkeit gewiß um so mehr gefangen halten, als sie uns auf der schwindelndsten Spitze derselben, wie mit Krone und Szepter angetan erscheint. Wissen wir nicht, daß Könige und Fürsten, gerade in ihrem willkürlichsten Handeln, jetzt die Allerunfreiesten sind? – Nein, betrachten wir in diesem Opernmusikkönige nur die Züge des Wahnsinnes, durch die er uns bedauernswürdig und abmahnend, nicht aber verachtungswert erscheint! Um der ewigen Kunst willen müssen wir aber die Natur dieses Wahnsinnes genau kennenlernen, weil wir aus seinen Verzerrungen am deutlichsten den Wahn zu erforschen vermögen, der einem Kunstgenre sein Dasein gab, über dessen irrtümliche Grundlage wir klar werden müssen, wenn wir mit gesundem jugendlichen Mute die Kunst selbst wieder verjüngen wollen.
    Auch zu dieser Erforschung können wir jetzt in kurzen, raschen Schritten vorwärtsschreiten, da wir dem Wesen nach den Wahnsinn schon dargetan haben, den wir daher jetzt nur noch in einigen kenntlichsten Zügen beobachten dürfen, um über ihn ganz sicher zu sein. –
     
    Wir sahen die frivole – d. h. die von jedem wirklichen Zusammenhange mit den dichterischen Textworten abgelöste Opernmelodie, durch Aufnahme der Nationalliedweise geschwängert, bis zum Vorgeben historischer Charakteristik sich anlassen. Wir beobachteten ferner, wie, bei immer mehr schwindender charakteristischer Individualität der handelnden Hauptpersonen des musikalischen Dramas, der Charakter der Handlung den umgebenden – »emanzipierten« – Massen zugeteilt wurde, von denen dieser Charakter als Reflex erst auf die handelnden Hauptpersonen wieder zurückfallen sollte. Wir bemerkten, daß der umgebenden Masse nur durch das historische Kostüm ein unterscheidender, irgend erkennbarer Charakter aufgeprägt werden konnte, und sahen den Komponisten – um seine Suprematie zu behaupten – gedrängt, den Dekorationsmaler und Theaterschneider, denen das Verdienst der Herstellung historischer Charakteristik eigentlich zufiel, durch die ungewöhnlichste Verwendung seiner rein musikalischen Hülfsmittel wiederum auszustechen. Wir sahen endlich, wie dem Komponisten aus der verzweifeltsten Richtung der Instrumentalmusik eine absonderliche Art von Mosaikmelodie zugeführt wurde, welche durch ihre willkürlichsten Zusammensetzungen ihm das Mittel bot, jeden Augenblick – sooft ihn darnach verlangte – fremdartig und seltsam zu erscheinen – ein Verfahren, dem er durch die wunderlichste, auf rein materielles Auffallen berechnete, Verwendung des Orchesters das Gepräge speziellster Charakteristik aufdrücken zu können glaubte.
    Wir dürfen nun nicht aus den Augen lassen, daß alles dies am Ende doch ohne Mitwirkung des Dichters unmöglich war, und wenden uns daher nun für einen Augenblick zur Prüfung des modernsten Verhältnisses zwischen Musiker und Dichter.
    Die neue Opernrichtung ging durch

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