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Oper und Drama

Oper und Drama

Titel: Oper und Drama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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Rossini entschieden von Italien aus: dort war der Dichter zur völligen Null herabgesunken. Mit der Übersiedelung der Rossinischen Richtung nach Paris änderte sich auch die Stellung des Dichters. Wir bezeichneten bereits die Eigentümlichkeit der französischen Oper, und erkannten, daß der unterhaltende Wortsinn des Couplets der Kern derselben war. In der französischen komischen Oper hatte der Dichter vordem dem Komponisten nur ein bestimmtes Feld angewiesen, das er für sich zu bebauen hatte, während dem Dichter der eigentliche Besitz des Grundstückes verblieb. War nun auch jenes Musikterrain, der Natur der Sache nach, allmählich so angeschwollen, daß es mit der Zeit das ganze Grundstück einnahm, so blieb doch dem Dichter immer noch der Titel des Besitzes, und der Musiker galt als der Lehnsmann, der zwar das ganze Lehn als erbliches Eigentum betrachtete, dennoch aber – wie weiland im römisch-deutschen Reich – dem Kaiser als seinem Lehnherrn huldigte. Der Dichter verlieh und der Musiker genoß. In dieser Stellung ist immer noch das Gesündeste zutage gekommen, was der Oper als dramatischem Genre entsprießen konnte. Der Dichter bemühte sich wirklich, Situationen und Charaktere zu erfinden, ein unterhaltendes und spannendes Stück zu liefern, das er erst bei der Ausführung für den Musiker und dessen Formen zurichtete, so daß die eigentliche Schwäche dieser französischen Operndichtungen mehr darin lag, daß sie ihrem Inhalte nach die Musik meist gar nicht als notwendig bedangen, als darin, daß sie von vornherein vor der Musik verschwommen wären. Auf dem Theater der »Opéra comique« war dieser unterhaltende, oft liebenswürdige und geistvolle Genre heimisch, in welchem gerade dann immer das Beste geleistet wurde, wenn die Musik mit ungezwungener Natürlichkeit in die Dichtung eintreten konnte. – Diesen Genre übersetzten nun Scribe und Auber in die pomphaftere Sprache der sogenannten »großen Oper«. In der »Stummen von Portici« können wir noch deutlich ein gut angelegtes Theaterstück erkennen, in welchem noch nirgends mit auffallender Absichtlichkeit das dramatische Interesse einem rein musikalischen untergeordnet ist: nur ist in dieser Dichtung die dramatische Handlung bereits sehr wesentlich in die Beteiligung der umgebenden Massen verlegt, so daß die Hauptpersonen fast mehr nur redende Repräsentanten der Masse als wirkliche, aus individueller Notwendigkeit handelnde Personen abgeben. So schlaff ließ bereits der Dichter, vor dem imponierenden Chaos der großen Oper angelangt, den Pferden des Opernwagens die Zügel schießen, bis er diese Zügel bald ganz aus der Hand verlieren sollte! Hatte dieser Dichter in der »Stummen« und im »Tell« die Zügel noch in der Hand, weil weder Auber noch Rossini etwas anderes beikam, als in der prächtigen Opernkutsche es sich eben recht musikalisch bequem und melodiös behaglich zu machen – unbekümmert darum, wie und wohin der wohlgeübte Kutscher den Wagen lenkte – so trieb es nun aber Meyerbeer, dem jenes üppige melodische Behagen nicht zu eigen war, dem Kutscher selbst in die Zügel zu fallen, um durch das Zickzack der Fahrt das nötige Aufsehen zu erregen, das ihm nicht auf sich zu ziehen gelingen wollte, sobald er mit nichts anderem als seiner musikalischen Persönlichkeit allein in der Kutsche saß. –
    Nur in einzelnen Anekdoten ist es uns zu Ohren gekommen, mit welch peinigender Quälerei Meyerbeer auf seinen Dichter, Scribe, beim Entwurfe seiner Opernsujets einwirkte. Wollten wir aber diese Anekdoten auch nicht beachten, und wüßten wir gar nichts von dem Geheimnisse der Opernberatungen zwischen Scribe und Meyerbeer, so müßten wir doch an den zustandegekommenen Dichtungen selbst klar sehen, welcher belästigende und verwirrende Zwang auf den sonst so schnell fertigen, so leicht, geschickt und verständlich arbeitenden Scribe gedrückt haben muß, als er die bombastisch barocken Texte für Meyerbeer zusammensetzte. Während Scribe fortfuhr, für andere Opernkomponisten leicht fließende, oft interessant entworfene, jedenfalls mit vielem natürlichen Geschick ausgeführte, dramatische Dichtungen zu verfassen, die mindestens immer eine bestimmte Handlung zum Grunde hatten, und dieser Handlung entsprechende, leicht verständliche Situationen enthielten – verfertigte derselbe ungemein routinierte Dichter für Meyerbeer den ungesundesten Schwulst, den verkrüppeltsten Galimathias, Aktionen ohne Handlung, Situationen von der

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